Vor zwei Jahren war Taylor Edwards überglücklich: Die 29-Jährige war schwanger. Sie und ihr Mann hatten sich so sehr ein Kind gewünscht, und nach drei Jahren hatte es durch künstliche Befruchtung endlich geklappt. Doch dann kam der Schock: Bei einer Ultraschalluntersuchung in der 17. Schwangerschaftswoche stellte der Gynäkologe die Diagnose Enzephalozele.
«Er sagte, meine Tochter werde nicht überleben. Ich habe einfach nur geschrien», erinnert sich Edwards. Die Diagnose steht für eine Fehlbildung, bei der Teile des Gehirns durch eine Schädellücke nach aussen wachsen. Der Arzt habe ihr gesagt, er könne wegen des geltenden Gesetzes nichts machen und es gebe drei Optionen: «In Texas bleiben und wöchentlich zur Untersuchung zu kommen, bis das Kind stirbt, warten bis zur Geburt und sie sterben sehen, oder den Bundesstaat zu verlassen.»
Keine Ausnahmeregelung bei Fehlbildung
Edwards wusste, dass ein Schwangerschaftsabbruch in Texas nach der sechsten Woche verboten ist, doch sie ging davon aus, es gebe eine Ausnahme bei einem medizinischen Befund wie bei ihr. Eine Ausnahme gibt es aber nur, wenn das Leben der Mutter akut bedroht ist, was zu diesem Zeitpunkt nicht der Fall war. Wer eine Abtreibung durchführt, riskiert eine lange Gefängnisstrafe.
Edwards hatte von ihrem Arzt die Adresse einer Klinik in New Mexico bekommen, wo Abtreibungen nicht verboten sind. Sie litt unter emotionalem und mentalem Stress und meldete sich erst eine Woche später für einen Termin. Es folgte der nächste Schock: Wegen eines Medikamentenengpasses wurde der Eingriff kurz vor dem geplanten Abflug abgesagt.
Im Internet fand Edwards schliesslich eine andere Klinik in Colorado. Flüge und Hotels musste sie neu buchen. Taylor und ihr Mann Travis Edwards arbeiten beide im Immobilien-Business und schätzen sich privilegiert, dass sie sich alles leisten konnten.
Kampf für Lockerung des Gesetzes
Alles ging gut, doch obwohl in Texas im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten betroffene Frauen nicht strafrechtlich verfolgt werden können, wenn sie abtreiben, habe sie sich gefühlt wie eine Kriminelle auf dem Schwarzmarkt, sagt Edwards: «Das ist genau das Klima der Angst, das sie in Texas schaffen wollen.»
Ich wollte auch meine Tochter Phoebe ehren und irgendwie einen Sinn in all dem Schmerz sehen.
Schnell habe sie den Drang gespürt, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gelangen. «Die Leute müssen wissen, dass das passiert. Ich wusste, dass es schwierig werden würde, aber ich wollte auch meine Tochter Phoebe ehren und irgendwie einen Sinn in all dem Schmerz sehen.»
Edwards war eine von 20 Klägerinnen gegen den Bundesstaat Texas, die argumentierten, dass die strengen Ausnahmeregelungen dazu führten, dass Frauen mit gesundheitlichen Schäden rechnen müssen, weil sie nicht abtreiben dürfen.
Trost durch Geburt ihres Sohns
Der Supreme Court von Texas lehnte die Klage im Mai dieses Jahres ab. Die Abtreibungsfrage spielt eine wichtige Rolle im Wahlkampf. Kamala Harris setzt sich für ein Recht auf Abtreibung ein. Donald Trump wird von Abtreibungsgegnern unterstützt und weicht der Frage aus.
Immerhin, die Edwards finden etwas Trost im Happy End ihrer persönlichen Geschichte. Weil Taylor die Schwangerschaft abbrach, war bereits drei Monate später eine weitere künstliche Befruchtung möglich. «Wir sind Eltern eines gesunden, sieben Monate alten Sohns. Unsere Tochter wird aber immer auch Teil unserer Familie sein und wir haben ihre Fussabdrücke eingerahmt.»
Eines Tages werden Taylor und Travis Edwards auch ihrem Sohn Reid die Geschichte von seiner Schwester Phoebe erzählen.