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Frankreich: taktische Überlegungen vor zweitem Wahlgang
Aus Echo der Zeit vom 03.07.2024. Bild: AP Photo/Louise Delmotte
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Vor dem zweiten Wahlgang «Position von Macron ist international geschwächt»

Wer auch immer die französische Regierung bilden wird, wird wohl nicht auf der Linie des liberalen Präsidenten sein. Das ist unangenehm für Emmanuel Macron.

Frankreich steht vor unruhigen Zeiten. Unabhängig davon, ob das rechtsnationale Rassemblement National im zweiten Wahlgang eine absolute Mehrheit erreicht oder nicht, wird auch das Linksbündnis eine wichtige Rolle spielen. Dies stellt Präsident Emmanuel Macron vor Herausforderungen, da die künftige Regierung vermutlich nicht auf seiner liberalen Linie sein wird. Was Frankreich und seinen Präsidenten erwartet, erläutert Politologe Romain Lachat.

Romain Lachat

Politologe

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Lachat ist Professor für Politikwissenschaft am Forschungsinstitut Sciences Po in Paris. Seine Forschung konzentriert sich auf Wahlverhalten, öffentliche Meinung und vergleichende Politik.

Mehr zur Person

SRF News: Wie wahrscheinlich ist es, dass das Rassemblement National eine absolute Mehrheit erreicht? In über 200 Wahlkreisen gibt es taktische Absprachen, um dies zu verhindern.

Romain Lachat: Es gibt eine starke Bewegung innerhalb der linken Koalition und der Parteien, die das Präsidentenlager unterstützen, um einen Sieg des Rassemblement National zu verhindern. Viele Drittplatzierte haben sich aus dem Rennen gezogen. Diese taktischen Absprachen haben die Chancen des Rassemblement National auf eine absolute Mehrheit deutlich verringert.

Ist es denkbar, dass das Linksbündnis auf eine absolute Mehrheit kommt?

Das scheint ausgeschlossen. Die linken Parteien haben dank der Allianz «Nouveau Front populaire» gute Ergebnisse erzielt, aber das reicht nicht für eine absolute Mehrheit. Zudem haben sie oft ihre drittplatzierten Kandidaten zurückgezogen.

Es kann sein, dass die Bildung einer neuen Regierung schwierig wird.

Auf Präsident Macron kommen schwierige Zeiten zu, ohne stabile eigene Mehrheit im Parlament. Es ist bereits die Rede von einer «Cohabitation de la folie», einem Zusammenleben des Wahnsinns. Mit welchen Folgen für die Politik in Frankreich?

Es gab bereits unter früheren Präsidenten Kohabitationsregierungen. Das würde zu einer viel schwächeren Position für Macron führen. Es war in den letzten Jahren dominant in der Politik. Man hat von einem hyperpräsidentiellen Regime gesprochen. Und er hat die Rolle vom Parlament, aber auch von seiner eigenen Regierung geschwächt.

Vieles hängt von der politischen Ausrichtung der nächsten Regierung ab.

Jetzt wird es einen Wechsel in der Machtbalance geben und die Stellung vom Premierminister und vom Parlament wird viel stärker. Das wäre für Macron unangenehm, aber nicht institutionell blockierend.

Frankreich wird also nicht unregierbar?

Es kann sein, dass die Bildung einer neuen Regierung schwierig wird. Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass es am Sonntag keine Mehrheit im Parlament gibt. Die drei Blöcke – links, Mitte-rechts/rechts, extrem rechts – sind alle relativ stark, aber nicht in der Lage, selber eine Regierung zu bilden. Falls das Rassemblement National keine absolute Mehrheit erreicht, wird eine Art Koalitions- oder Übergangsregierung nötig sein, da eine erneute Auflösung des Parlaments innerhalb eines Jahres nicht möglich ist.

Emmanuel Macron im Anzug, der nach links schaut, im Freien.
Legende: «Es gibt Anzeichen dafür, dass Vertreter von linken und Mitte-Rechts-Parteien bereit wären, eine Übergangsregierung zu bilden, die zumindest die aktuelle Situation verwalten könnte», sagt der Politologe Lachat. (im Bild: Emmanuel Macron) EPA/AURELIEN MORISSARD / POOL MAXPPP OUT (02.07.2024)

Was ist international zu erwarten in den nächsten Jahren?

Die Position von Macron ist international geschwächt. Vieles hängt von der politischen Ausrichtung der nächsten Regierung ab. Falls das Rassemblement National eine Regierung bildet, könnte das die internationale Position von Frankreich abschwächen. Das wäre eine illiberale Regierung oder eine Regierung mit illiberalen Tendenzen in einem zentralen Land und könnte zu einer Schwächung der EU führen. Sie sind auch kritischer gegenüber der Unterstützung für die Ukraine. Eine Übergangsregierung hätte hingegen nicht die gleichen negativen internationalen Konsequenzen.

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.

Echo der Zeit, 03.07.2024, 18 Uhr ; 

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