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27 Staaten wählen Abgeordnete Die Wahl des EU-Parlaments betrifft auch die Schweiz

Noch bis am Wochenende sind rund 370 Millionen Wahlberechtigte in der Europäischen Union dazu aufgerufen, ein neues EU-Parlament zu wählen. Dieses bestimmt nicht nur über Gesetze für die 450 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger. Auch auf die Schweiz haben seine Entscheide Auswirkungen. Welche das sind, weiss der EU-Korrespondent von Radio SRF, Charles Liebherr.

Charles Liebherr

EU-Korrespondent

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Charles Liebherr ist EU-Korrespondent von Radio SRF. Davor war er unter anderem in der SRF-Wirtschaftsredaktion tätig, später war er Frankreich-Korrespondent. Liebherr studierte in Basel und Lausanne Geschichte, deutsche Literatur- und Sprachwissenschaft sowie Politologie.

Warum ist die EU-Wahl wichtig für die Schweiz?

Zunächst: Fast ein Viertel der in der Schweiz lebenden Personen hat einen EU-Pass. Sie alle können bei der EU-Parlamentswahl mitbestimmen. Und auch alle anderen in der Schweiz sind vom Wahlausgang betroffen: Fast alle von der EU verabschiedeten Gesetze entfalten eine Wirkung in der Schweiz. Sei es, dass sich die Schweiz an den EU-Gesetzen orientiert, weil sie Zugang zum riesigen EU-Binnenmarkt haben will. Oder weil sie ähnliche politische Ziele verfolgt wie die Europäische Union. Das ist etwa bei der Klimapolitik der Fall.

Weshalb ist der europäische Binnenmarkt so wichtig?

Grundsätzlich: Die Schweizer Unternehmen verdienen jeden zweiten Franken in den 27 EU-Ländern. Entsprechend wichtig ist es für Schweizer Firmen, ohne Hürden mit Unternehmen in den EU-Ländern Geschäften zu können. Damit das für die Schweiz möglich ist, muss sie die Vorgaben, die im EU-Binnenmarkt gelten, befolgen. Und dazu wiederum müssen manche Gesetze in der Schweiz nach Vorbild der EU oder in ähnlichem Rahmen gestaltet werden. Das betrifft nicht nur Unternehmen – sondern uns alle, etwa beim Reisen oder bei der Produktsicherheit.

Wer entscheidet über eine Gesetzesübernahme?

Bundesrat und Parlament – und allenfalls das Volk – entscheiden über die Gesetze in der Schweiz. Beispiel Datenschutz: Die EU hat eine europäische Datenschutzrichtlinie – ein Datenschutzgesetz – erlassen. Die Schweizer Behörden haben das Gesetz studiert und dem Bundesrat Vorschläge unterbreitet, wie ein Schweizer Datenschutzgesetz aussehen könnte, das die gleichen Ziele verfolgt. Die Regierung wiederum brachte daraufhin einen Gesetzesvorschlag ins Parlament, das diesen verabschiedet hat. Erwartungsgemäss waren die Differenzen zum EU-Gesetz am Schluss nicht sehr gross.

Welche Kompetenzen hat das EU-Parlament?

Mittlerweile gibt es praktisch keinen Politikbereich mehr, in dem nicht auch das EU-Parlament mitredet und -entscheidet. Einzig in Steuerfragen entscheiden die Regierungen der 27 EU-Staaten alleine – wobei das Parlament immerhin angehört wird. Wenig zu sagen hat das EU-Parlament bei der Aussen- und Verteidigungspolitik. Hier liegen die Kompetenzen bei den einzelnen EU-Ländern. Auf EU-Ebene ist in der Aussenpolitik auch die Macht des Rates der 27 EU-Mitgliedsländer eingeschränkt.

Parlament mit zwei Sitzungsorten

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Das EU-Parlament hat zwei Sitzungsorte: Brüssel und Strassburg. Strassburg ist eigentlich der Hauptsitz. Die meiste Arbeit wird aber in Brüssel geleistet, wo in den Ausschüssen des EU-Parlaments Gesetzesanpassungen vorberaten werden. Einmal pro Monat zieht der ganze Zirkus nach Strassburg zur Plenartagung. Dort geht es dann jeweils zu wie in einem Ameisenhaufen: Alle Parlamentarierinnen und Parlamentarier sind dann in Strassburg, ausserdem zahllose Lobbyisten, die versuchen Einfluss auf die Arbeit des EU-Parlaments zu nehmen und natürlich auch Medienschaffende, die über EU-Politik berichten.

Was ist speziell am EU-Parlament?

Es ist das einzige transnational gewählte Parlament der Welt. Das führt dazu, dass eine Vorlage beispielsweise die Unterstützung von Sozialdemokraten aus Finnland, Christdemokraten aus Spanien und der Liberalen aus Rumänien erhält. Ein Gesetz wird also über die Landesgrenzen hinweg beurteilt und verabschiedet. Deshalb ist die Arbeit im EU-Parlament sehr sachorientiert und viel weniger parteipolitisch oder nach nationalen Präferenzen ausgerichtet. Je nach Inhalt eines Gesetzes müssen über Parteigrenzen und Länder hinweg Mehrheiten gefunden werden. So ähnlich funktioniert zuweilen auch das Schweizer Parlament.

Podcast Newsplus, 6.6.2024, 17:00 Uhr ; 

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