So haben sich das die bürgerlichen Parteien nicht vorgestellt: Am vergangenen Sonntag sagte die Stimmbevölkerung gleich dreimal Nein und lehnte sowohl die beiden Mietrechtsvorlagen als auch den Autobahnausbau ab.
Links-Grün hingegen kann in diesem Jahr bereits einige Abstimmungserfolge verbuchen – darunter etwa das historische Ja zur 13. AHV-Rente. Warum bringen die Bürgerlichen trotz Mehrheit im Parlament ihre Anliegen an der Urne nicht durch?
Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone erklärt den Erfolg der linken Parteien damit, dass Bundesrat und Parlament «an der Bevölkerung vorbeipolitisieren» – vor allem im sozialen Bereich und bei der Umwelt. Gehe es so weiter, werde es eine «Referendumslegislatur» geben, wertvolle Zeit gehe verloren. Ähnlich sieht das SP-Nationalrat Matthias Aebischer: «Der Bundesrat hat in den letzten Jahren Entscheide gefällt, die gegen den Volkswillen waren.»
Auch FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher spürt zunehmend ein gewisses Misstrauen gegenüber der Politik: «Wir müssen wieder miteinander einen Konsens haben, dass wir vorwärtsgehen wollen.» Dennoch zeigt sich die St. Gallerin auch selbstkritisch: «Wenn wir auf bürgerlicher Seite etwas wollen, dann müssen wir zusammenstehen. Denn die Linken machen das auch.»
Das Vertrauen in den Bundesrat habe seit der Pandemie abgenommen und müsse wieder aufgebaut werden, findet auch SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner. Und es brauche endlich eine Lösung in der Zuwanderungsfrage – Teile der SVP-Basis hätten den Autobahnausbau genau deswegen abgelehnt.
ÖV stärken oder doch neue Strassen bauen?
Mit knapp 53 Prozent Nein-Anteil hat sich die Stimmbevölkerung gegen den Autobahnausbau ausgesprochen. Damit sind die sechs geplanten Projekte vom Tisch. Aus Sicht von Links-Grün muss nun der öffentliche Verkehr gestärkt werden. Für SP-Nationalrat Aebischer ist klar: «Der öffentliche Verkehr ist zu teuer.» Er fordert günstigere ÖV-Tarife – insbesondere tagsüber ausserhalb der Stosszeiten.
Der öffentliche Verkehr ist zu teuer.
Schon heute fliesse viel Geld in die Bahn, kontert Giezendanner. Er findet: «Mobilität muss etwas kosten.» Er plädiert dafür, ein neues Strassenausbauprojekt zu schnüren, das «breit abgestützt» sei. Schliesslich – das betonen Giezendanner und Vincenz-Stauffacher unisono – sei der Autoverkehr auf den Nationalstrassen so effizient wie kein anderes Fortbewegungsmittel.
Derweil will Grünen-Präsidentin Mazzone den öffentlichen Verkehr vor allem in den Agglomerationen stärken – und mehr Geld für Klimaanpassungsmassnahmen wie etwa Schutzbauen einsetzen. Auch eine Temporeduktion auf Autobahnen könne zur Staureduktion beitragen.
Vincenz-Stauffacher zeigt sich zwar offen, mehr Geld aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) in den Agglomerationen einzusetzen. Sie warnt allerdings davor, die einzelnen Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen und den Autoverkehr zu verteufeln: «Wir brauchen Wahlfreiheit.» Schliesslich könne beispielsweise ein Gewerbler schlecht aufs Lastenvelo umsteigen.