Abgesperrte Gebiete, vollgelaufene Keller, Schäden an Gebäuden. Die Pegelstände der Schweizer Seen und Flüsse waren in den vergangenen Tagen hoch: Für den Untersee – einen Teil des Bodensees – wurde am Dienstag die höchste Stufe ausgerufen. Das bedeutet: Es besteht eine sehr grosse Gefahr für Überschwemmungen.
Die Messstation zeigte etwas über 5 Meter. Beim letzten grossen Hochwasser von 1999 lag der Wasserstand 62 Zentimeter höher. Und das war noch nicht mal die Höchstmarke.
Während Hochwasser heutzutage oft die oben genannten Konsequenzen hat und Menschen manchmal gar extra in Hochwasser-Gebiete pilgern – Stichwort Katastrophen-Tourismus –, konnte ein solches Naturereignis vor ein paar hundert Jahren über Leben und Tod entscheiden.
1566 – Hochwasser, Hunger, Pest
1566 kam es zu einem sogenannten Jahrhunderthochwasser. Eine nachträglich angepasste Umrechnung zeigt, dass der Pegelstand damals etwa 5.8 Meter betrug – ein Ereignis mit grossen Folgen: Auf den überschwemmten Feldern verdarb alles, was vorher angepflanzt worden war. Die lokalen Essensvorräte waren rasch erschöpft, eine Hungersnot kündigte sich an. Doch die grössere Gefahr war eine andere.
Durch das Hochwasser wurde auch das Trinkwasser verunreinigt. Mäuse und Ratten flohen vor dem Wasser und verliessen Keller und Lagerräume und drangen in die Häuser und Wohnungen der Menschen. In den schmalen Gassen zwischen den Häusern moderten Küchenabfälle und Tierkadaver – ein gefundenes Fressen für die Nagetiere –, die Brutstätte unter anderem für Seuchen wie die Pest waren.
Im Hochwasserjahr 1566 starben in Konstanz 1000 Menschen – ein Fünftel der Bevölkerung. Zu jener Zeit glaubten die Menschen, dass solche Ereignisse eine göttliche Strafe seien für ihre Sünden. Und so kam es, dass der Rat von Überlingen am Bodensee, um Busse zu tun, mit schwerem Herzen beschloss, auf alle Fasnachtsveranstaltungen zu verzichten.
Vom Vulkanausbruch zum Hochwasser
Das bislang grösste Hochwasser der Bodenseeregion geht auf das Jahr 1817 zurück. 6.36 Meter wurden damals gemessen. Das Hochwasser nahm seinen Anfang in einem Vulkanausbruch. Im Jahr 1815 brach in Indonesien der Vulkan Tambora aus.
Die globale Jahrestemperatur sank, die ausgespuckte Asche trübte den Himmel noch Jahre später. Das Wetter spielte verrückt – an 122 Tagen gab es Regen, 35 Tage lang fiel Schnee und selbst im Sommer schneite es mehrfach. Die Ernte: einmal mehr grösstenteils kaputt.
1817 schmolz dann der Schnee der vorigen Jahre. Das Schmelzwasser und ein tagelanges Gewitter liessen die Wasserpegel steigen. In Konstanz stand das Wasser etwa 300 Meter landeinwärts. Holzstege zierten den Grossteil der Altstadt.
Gleichzeitig wurden Lebensmittel rar und die Bodenseeregion wurde von einer Hungersnot erfasst. Die Menschen verzehrten aus Hunger Hunde, Katzen und Schnecken und durchwühlten gar Misthaufen wohlhabender Menschen in der Hoffnung auf Getreidekörner.
Im 19. Jahrhundert wurde die Wissenschaft wichtiger. Im Zuge dessen wurden Umweltkatastrophen immer weniger als Strafe Gottes angesehen. Die Verantwortung zur Prävention solcher Gefahren ging an die Obrigkeiten und so wurde der Rhein bis 1879 auf dreihundert Kilometern Länge begradigt. Damit wurden schadenreiche Überschwemmungen stark eingedämmt.
Meter | Datum des Hochwassers am Bodensee |
6.36 | 7. Juli 1817 |
5.91 | 18. August 1821 |
5.76 | 3. September 1890 |
5.57 | 28. Juni 1910 |
5.55 | 26. Juni 1926 |
5.41 | 28. Juni 1965 |
5.38 | 28. Juli 1987 |
5.65 | 24. Mai 1999 |
1926 kam es zum bislang längsten Hochwasser am Bodensee. Sage und schreibe 54 Tage lang lag der Konstanzer See bei über fünf Metern. Zu Spitzenzeiten mass er 5.55 Meter.