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Bodensee Als Hochwasser noch über Leben und Tod entschied

54 Tage lang dauerte das längste Hochwasser, 6.36 Meter war die Höchstmarke eines Hochwassers am Bodensee. Ein Einblick in die Hochwasser-Geschichte der Bodensee-Region.

Abgesperrte Gebiete, vollgelaufene Keller, Schäden an Gebäuden. Die Pegelstände der Schweizer Seen und Flüsse waren in den vergangenen Tagen hoch: Für den Untersee – einen Teil des Bodensees – wurde am Dienstag die höchste Stufe ausgerufen. Das bedeutet: Es besteht eine sehr grosse Gefahr für Überschwemmungen.

Mann auf Steg
Legende: Am Untersee bewegen sich die Menschen wieder auf Stegen fort. KEYSTONE/Michael Buholzer

Die Messstation zeigte etwas über 5 Meter. Beim letzten grossen Hochwasser von 1999 lag der Wasserstand 62 Zentimeter höher. Und das war noch nicht mal die Höchstmarke.

Erste Messungen 1797

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Erste Messungen wurden bereits 1797 vorgenommen. Allerdings wichen die Resultate weit voneinander ab, weil die Pegelskalen nach verschieden angesetzten Nullpunkten erhoben wurden. Erst 1874 wurde dies vereinheitlicht – nach einer Reihe verheerender Hochwasser.

Während Hochwasser heutzutage oft die oben genannten Konsequenzen hat und Menschen manchmal gar extra in Hochwasser-Gebiete pilgern – Stichwort Katastrophen-Tourismus –, konnte ein solches Naturereignis vor ein paar hundert Jahren über Leben und Tod entscheiden.

1566 – Hochwasser, Hunger, Pest

1566 kam es zu einem sogenannten Jahrhunderthochwasser. Eine nachträglich angepasste Umrechnung zeigt, dass der Pegelstand damals etwa 5.8 Meter betrug – ein Ereignis mit grossen Folgen: Auf den überschwemmten Feldern verdarb alles, was vorher angepflanzt worden war. Die lokalen Essensvorräte waren rasch erschöpft, eine Hungersnot kündigte sich an. Doch die grössere Gefahr war eine andere.

Bodensee: Höchststände im Juni

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Zum Jahresbeginn führt der Bodensee jeweils am wenigsten Wasser. Im März beginnt der Pegel langsam zu steigen, im April wächst er weiter und erreicht Mitte Juni einen mittleren Pegelstand von 4.47 Metern. Üblicherweise hält dieser Zustand um die zehn Tage an, dann sinkt der Wasserstand weiter bis im Februar.

Durch das Hochwasser wurde auch das Trinkwasser verunreinigt. Mäuse und Ratten flohen vor dem Wasser und verliessen Keller und Lagerräume und drangen in die Häuser und Wohnungen der Menschen. In den schmalen Gassen zwischen den Häusern moderten Küchenabfälle und Tierkadaver – ein gefundenes Fressen für die Nagetiere –, die Brutstätte unter anderem für Seuchen wie die Pest waren.

Personen mit Boot in überfluteter Stadtgasse, historische Aufnahme.
Legende: Die Schäden an den Häusern mussten die Eigentümer in der Regel selbst bezahlen. Archiv Labhard Steckborn

Im Hochwasserjahr 1566 starben in Konstanz 1000 Menschen – ein Fünftel der Bevölkerung. Zu jener Zeit glaubten die Menschen, dass solche Ereignisse eine göttliche Strafe seien für ihre Sünden. Und so kam es, dass der Rat von Überlingen am Bodensee, um Busse zu tun, mit schwerem Herzen beschloss, auf alle Fasnachtsveranstaltungen zu verzichten.

Vom Vulkanausbruch zum Hochwasser

Das bislang grösste Hochwasser der Bodenseeregion geht auf das Jahr 1817 zurück. 6.36 Meter wurden damals gemessen. Das Hochwasser nahm seinen Anfang in einem Vulkanausbruch. Im Jahr 1815 brach in Indonesien der Vulkan Tambora aus.

Menschen gehen auf provisorischen Stegen über Hochwasserstrasse, Steckborn, Juni 1926.
Legende: Holzstege zieren die Altstadt von Steckborn. Archiv Labhard Steckborn

Die globale Jahrestemperatur sank, die ausgespuckte Asche trübte den Himmel noch Jahre später. Das Wetter spielte verrückt – an 122 Tagen gab es Regen, 35 Tage lang fiel Schnee und selbst im Sommer schneite es mehrfach. Die Ernte: einmal mehr grösstenteils kaputt.

Gruppe von Menschen in einem Ruderboot mit dem Namen 'Hochwasser', Stadt im Hintergrund.
Legende: Seit dem späten 19. Jahrhundert boten Fotografen bei Naturereignissen Erinnerungsfotos an. Archiv Labhard Steckborn

1817 schmolz dann der Schnee der vorigen Jahre. Das Schmelzwasser und ein tagelanges Gewitter liessen die Wasserpegel steigen. In Konstanz stand das Wasser etwa 300 Meter landeinwärts. Holzstege zierten den Grossteil der Altstadt.

Bild der Altstadt von Konstanz um 1817.
Legende: Die Konstanzer Altstadt war während des höchsten je gemessenen Hochwassers am Bodensee überschwemmt. Rosengartenmuseum Konstanz

Gleichzeitig wurden Lebensmittel rar und die Bodenseeregion wurde von einer Hungersnot erfasst. Die Menschen verzehrten aus Hunger Hunde, Katzen und Schnecken und durchwühlten gar Misthaufen wohlhabender Menschen in der Hoffnung auf Getreidekörner.

Das Geschäft mit dem Alkohol

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Trotz der Hungersnot florierte das Geschäft mit Alkohol, genauer gesagt mit Bier und Schnaps. Weil es 1816 fast nur Kartoffeln gab, entschieden sich einige Bauern dazu, Kartoffelschnaps herzustellen.

Da Kartoffeln aber eigentlich der Ernährung der Bevölkerung dienen sollten, wurde die Thurgauer Regierung aufgefordert, gegen bekannte Schwarzbrenner in den Gemeinden Gottlieben, Berlingen und Steckborn vorzugehen. Widerwillig erliess sie ein Verbot des «Vorkaufs» von Kartoffeln.

Im 19. Jahrhundert wurde die Wissenschaft wichtiger. Im Zuge dessen wurden Umweltkatastrophen immer weniger als Strafe Gottes angesehen. Die Verantwortung zur Prävention solcher Gefahren ging an die Obrigkeiten und so wurde der Rhein bis 1879 auf dreihundert Kilometern Länge begradigt. Damit wurden schadenreiche Überschwemmungen stark eingedämmt.

Meter Datum des Hochwassers am Bodensee
6.36 7. Juli 1817
5.91 18. August 1821
5.76 3. September 1890
5.57 28. Juni 1910
5.55 26. Juni 1926
5.41 28. Juni 1965
5.38 28. Juli 1987
5.65 24. Mai 1999

1926 kam es zum bislang längsten Hochwasser am Bodensee. Sage und schreibe 54 Tage lang lag der Konstanzer See bei über fünf Metern. Zu Spitzenzeiten mass er 5.55 Meter.

Zwei Menschen fahren bei Hochwasser auf Fahrrädern durch überflutete Allée.
Legende: Fahrradfahren im Hochwasser: So sieht es aus, wenn das Hochwasser schon fast zum Normalzustand wird, etwa 1926, als Konstanz 54 Tage lang überschwemmt war. Stadtarchiv Konstanz

Sonderausstellung zum Hochwasser

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2019 gab es im Rosengartenmuseum in Konstanz eine Sonderausstellung mit dem Namen «Der gefährliche See». Im Rahmen dieser Sonderausstellung ist der gleichnamige Katalog erschienen, aus dem die meisten Informationen und Bilder dieses Artikels sind.

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10vor10, 12.06.2024, 21:50 Uhr;kesm

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