Wen trifft der Spion? Was heckt er aus? Wenn Ermittlerinnen in Serien feindliche Agenten verfolgen, klickt man gerne auf «Nächste Folge». Im Schweizer Nachrichtendienst dürften einige ebenfalls schlaflose Nächte durchleben, jedoch wegen realer Spione.
Allerdings: Was eine Serienheldin allein erledige, das sei in der Realität die Arbeit von über einem Dutzend Menschen, sagt Christian Dussey, Direktor des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB). Das heisst: Analysten, Quellen-Führerinnen, Computerspezialisten, Übersetzerinnen, Observierungsteams.
Schon früher Schauplatz von Spionagetätigkeiten
Derzeit gehe bei der Spionage die grösste Bedrohung von russischen Nachrichtendiensten aus, schreibt der NDB. Zudem sei auch China aktiv in der Schweiz. Und auch wenn dies nicht explizit erwähnt wird, so ist es kein Geheimnis, dass sich auch Nachrichtendienstler der USA, Grossbritanniens und Israels in der Schweiz tummeln. Manche offiziell als Partner, andere verdeckt. Die Schweiz ist historisch ein Schauplatz, auf dem sich feindlich gesinnte Agenten verschiedener Mächte bewegen.
Im Zweiten Weltkrieg, so führt Dussey aus, habe sich die Schweiz weitgehend passiv verhalten. Lange war das ein Vorwurf, den sich die Schweizer Behörden anhören mussten: Sie würden bestenfalls zu-, meistens aber wegschauen. Das hat Gründe: Jeder entdeckte Spion führt zu politisch und diplomatisch heiklen Situationen. Soll man ein Strafverfahren starten? Damit eine Grossmacht brüskieren? Gefährdet man die «Guten Dienste» der Schweiz? Oder Wirtschaftsinteressen?
Verbotener Nachrichtendienst ist eine Straftat – doch jedem Verdacht nachzugehen, würde die Kapazitäten des NDB deutlich übersteigen. Christian Dussey will die «Force de Frappe», die Schlagkraft seines Dienstes, stärken. Dafür will er Prioritäten setzen. Klingt gut.
Eine Frage der Politik
Das bedeutet aber: entscheiden, welchem Spionageverdacht nachgegangen wird – und welchen vielen anderen nicht. Das sind politische Entscheide. Verfolgt man den russischen Offizier, der als Kulturattaché akkreditiert ist, oder den chinesischen? Und weshalb nicht jenen aus den USA?
Natürlich nähme Dussey gerne die zusätzlichen 150 Stellen, wie sie die Ständeratskommission fordert. Damit könnten Lücken gefüllt werden. Es wäre eine deutliche Aufstockung, denn derzeit verfügt der NDB über rund 440 Vollzeitstellen. Doch Dussey räumte ein: Jede Sicherheitsbehörde, die man frage, ob sie genügend Personal habe, würde nein sagen.
Noch wichtiger als die Personalfrage scheint der politische Rückhalt. Denn man wird nicht darum herumkommen, zu entscheiden, bei welchen Ländern Spionage bis zu einem gewissen Grad toleriert wird, und gegen wen die beschränkten Mittel eingesetzt werden – was bereits heute faktisch passiert, nur wird sich dies angesichts der Weltlage vermehrt aufdrängen.
Denn die Frage in der Spionageabwehr ist: Welcher Grossmacht tritt man auf die Füsse? Mit der klaren Benennung Russlands und Chinas tut der NDB dies bereits. Dafür verdient er Respekt. Und die nötige politische Rückendeckung.