Gas ist knapp in Europa. Deshalb möchte sich die Schweiz im Hinblick auf eine mögliche Mangellage im Winter absichern. Im Notfall sollen sich Deutschland und die Schweiz verpflichten, sich gegenseitig auszuhelfen – das die Idee des Solidaritätsabkommens.
Ein Abkommen gäbe eine gewisse Sicherheit und würde Risiken reduzieren.
Die Gasbranche selbst würde ein solches Abkommen begrüssen, sagt Daniela Decurtins, Direktorin des Verbandes der Schweizerischen Gasindustrie: «Ein Abkommen gäbe eine gewisse Sicherheit und würde Risiken reduzieren. Aber im besten Fall kommen wir gar nie in eine Mangellage.» Um diese möglichst verhindern zu können, habe die Gasbranche ihre Hausaufgaben erledigt.
In der Krisensituation ist noch nicht hundertprozentig klar, was ein Abkommen wirklich bringt.
Was ein Gas-Solidaritätsabkommen darüber hinaus überhaupt nützen würde, ist für den Direktor des Energy Science Center der ETH Zürich, Christian Schaffner, nicht ganz klar. Denn die Schweiz sei auf Gaslieferungen von Deutschland angewiesen.
Wenn Deutschland ein Versorgungsproblem habe, habe die Schweiz auch eines. «Ein Abkommen kann allenfalls helfen, dass wir besser miteinander auskommen. Aber schlussendlich ist in der Krisensituation noch nicht hundertprozentig klar, was es wirklich bringt», sagt Schaffner.
Abkommen auf der Kippe
Doch dass dieses Gasabkommen überhaupt zustande kommt, scheint alles andere als gewiss. Darüber berichteten bereits die Tamedia-Zeitungen. Am WEF im Mai gab sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga optimistisch. Sie sei erfreut darüber, dass die Schweiz sofort die Verhandlungen für ein Solidaritätsabkommen mit Deutschland aufnehmen würde, sagte sie damals.
Inzwischen klingt es jedoch anders. So schreibt das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK auf Anfrage von SRF: «Ob mit Deutschland ein Abkommen zustande kommt, ist gemäss aktuellem Stand unsicher.» Und auch aus Berlin heisst es, man sei mit der Schweiz in Verhandlung, diese sei jedoch nicht abgeschlossen. Das von der Schweiz geplante Abkommen mit Deutschland dürfte auf der Kippe stehen.
Sparen als Alternative
Welche Alternativen gibt es stattdessen? Laut dem Experten Schaffner könne man diesen Winter vor allem eines tun, und zwar Gas sparen. Das wird in der Schweiz zurzeit auch gemacht.
So zeigen die Gasimporte für die Monate Juli und August einen Rückgang von 18 Prozent respektive knapp 22 Prozent im Vergleich zu denselben Monaten in den vorhergehenden Jahren. Laut Daniela Decurtins sei das wohl vor allem auf Einsparungen in der Industrie zurückzuführen. Konkret auf sogenannte Zweistoffanlagen, die nun von Gas auf Öl umstellen würden.
Welchen Einfluss die Ende August lancierte Energie-Sparkampagne des Bundes auf den Gasverbrauch hat, ist noch nicht klar. Denn der Verband hat noch keine Daten über den Verbrauch im September und Oktober. Aber auch im privaten Bereich gebe es grosses Sparpotenzial, sagt Christian Schaffner. Zum Beispiel bei der Raumtemperatur. «Eine Temperatursenkung von einem Grad kann Einsparungen von fünf bis zehn Prozent, vielleicht sogar noch mehr, beim Gaskonsum bewirken.»
Es bleiben viele Unbekannte im Hinblick auf den Gasverbrauch in der Schweiz. Laut Schaffner stehen wir aber nicht schlecht da: «Die Gasspeicher in Europa sind gut gefüllt, aber es kommt jetzt stark darauf an, was in den nächsten Wochen passiert. Haben wir einen kalten Winter, gibt es weitere Zwischenfälle?» Die Situation könne sich beinahe von Tag zu Tag verändern.