Wenn der Strom diesen Winter in der Schweiz knapp wird, könnte der Kanton Aargau der Schweiz kurzfristig aushelfen. Hier steht ein privates Gaskraftwerk. Das Testkraftwerk der Ansaldo Energia in Birr ist eine Testanlage für neue Gasturbinen. Damit die Turbinen richtig getestet werden können, müssen sie unter Volllast laufen. Für solche Tests produziert dieses Kraftwerk, wie ein richtiges Gaskraftwerk, Strom in grossen Mengen.
Die Testanlage in Birr ist ans normale Gasnetz und ans Schweizer Stromnetz angeschlossen. Die Anlage könnte auch mit Öl betrieben werden, ein Öllager steht vor Ort. Bis vor Kurzem wurde das einsatzbereite Kraftwerk in der nationalen Versorgungsplanung kaum berücksichtigt. Am Donnerstag nun aber hat der Kanton Aargau bekannt gegeben, dass er die Pläne des Bundes unterstütze, aus dem Kraftwerk in Birr ein Reservekraftwerk zu machen.
Kurzfristig verfügbarer Strom
Das Reservekraftwerk würde nur dann überbrücken, wenn Strom wirklich fehlt. Der Kanton Aargau sei zusammen mit dem Bund, der Gemeinden und den Betreiberfirmen im Gespräch, hält der Aargauer Regierungsrat fest. Für Bau- und Umweltdirektor Stephan Attiger ist klar: «Wenn über einen längeren Zeitraum sehr tiefe Temperaturen herrschen, wenn wegen des Ukrainekrieges die russischen Gaslieferungen versiegen oder wenn der Stromimport aus dem Ausland nicht mehr funktioniert», dann brauche es Lösungen, so Attiger.
Der Aargau sei als Energiekanton besonders betroffen: «Er ist Standort national relevanter Energieproduktionsanlagen und Versorgungsleitungen und ist einer der Haupteigentümer der Energieproduzentin Axpo, des wichtigsten nationalen Stromproduzenten.» Der Aargau sei zudem potenzieller Standortkanton von möglichen Reservekraftwerken (Birr und grossindustrielle Notstrom-Aggregate) und weise im nationalen Vergleich eine hohe Dichte an Industrie- und Logistikbetrieben von nationaler Bedeutung auf.
Ganz so schnell kann das Kraftwerk der Ansaldo Energia in Birr aber nicht ans Netz. Das Kraftwerk kann mit Öl oder Gas betrieben werden, aber es brauche auch die nötige gesetzliche Grundlage dazu, heisst es im Aargau. Die Regierung fordert vom Bund eine aktive Führungsrolle.
Notrecht gefordert
«Da es sich um eine bundesweite Mangellage handelt, erwartet der Kanton Aargau vom Bund auch eine Bundesgrundlage», hält die Aargauer Regierung fest. Der Bund solle nicht erst im Ernstfall, sondern schon jetzt Notrecht anwenden. Damit könne man in Absprache mit der Standortgemeinde rasch eine Betriebsbewilligung für das kommerzielle Betreiben des Kraftwerkes in Birr erteilen.
Der Kanton Aargau erwartet vom Bund Notrecht als Grundlage.
Zudem könnten auch Notstrom-Aggregate mehr helfen als vom Bund angenommen, heisst es im Aargau. Die Notstrom-Aggregate, die in Industriebetrieben bereits vorhanden seien, könnten Energie für die jeweiligen Firmen liefern. «Aus Sicht des Kantons Aargau existiert ein grösseres Potenzial als die vom Bund genannten 280 Megawatt Leistung», findet die Regierung. Sie rechnet – im Gegensatz zum Bund – auch Notstromaggregate hinzu, die nicht ans Stromnetz angeschlossen sind. Weiter müssten im Ernstfall Grossverbraucher ihren Strombezug reduzieren, auch das müsse der Bund koordinieren.