Vor fünf Jahren hatte eine Expertengruppe fast 40 Massnahmen zusammengetragen, um die steigenden Kosten in der Grundversicherung zu dämpfen. Etwa die Hälfte der Vorschläge wurden oder werden noch dem Parlament vorgelegt.
Davon wurden fast zehn Vorschläge von beiden Kammern gutgeheissen, aber erst drei sind bis jetzt in Kraft. Beispielsweise erhalten Patientinnen und Patienten nun eine Rechnungskopie. Diese soll bei ihnen das Kostenbewusstsein stärken.
Viele kleine Schritte nötig
Das töne zwar nicht nach dem grossen Wurf, taktisch sei dieses Vorgehen jedoch geschickt, findet Gesundheitsökonom Tilman Slembeck. Er ist Wirtschaftsprofessor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. «Es ist politisch klug, mit den kleinen Massnahmen anzufangen.» Im Paket mit vielen weiteren kleinen Massnahmen könnten sie durchaus eine Wirkung entfalten.
Es ist politisch klug, mit den kleinen Massnahmen anzufangen.
Einen deutlicheren Spareffekt sieht Slembeck bei den weiteren Vorschlägen, die noch nicht im Parlament diskutiert worden sind. So sieht das sogenannte Massnahmenpaket 2 etwa vor, dass sich Ärztinnen, Therapeuten und Spitäler freiwillig in Netzwerken zusammenschliessen und so eine medizinische Betreuung aus einer Hand anbieten sollen.
Spürbare Massnahmen bisher chancenlos
Noch mehr erhofft sich Slembeck vom sogenannten Kostenziele-Projekt. Dabei sollen die Akteure festlegen, um wie viel ihre Kosten maximal wachsen dürfen. Diese Massnahme werde zu mehr Disziplin führen, ist Slembeck überzeugt.
Keine Chancen im Parlament hatten bisher Massnahmen, mit denen Kosten spürbar gedämpft werden könnten, etwa der Anreiz zur Verwendung von günstigeren Generika-Medikamenten.
Und um weitere Reformprojekte wird schon seit Jahren gerungen, wie das neue Tarifsystem Tardoc zur Abrechnung ambulanter Behandlungen oder dass Kosten für Routinebehandlungen nur noch mit einem einheitlichen Pauschalpreis abgegolten werden.
Umbau des Gesundheitswesens?
Ähnlich sieht das Gesundheitsökonom Willy Oggier. Doch von den Kostendämpfungsmassnahmen der Expertengruppe hält er nichts. Er spricht von «kaltem Kaffee oder Rohrkrepierern». Für Oggier stehen Sparmassnahmen nicht im Vordergrund.
Viel wichtiger wäre es seiner Meinung nach, über die künftigen Anforderungen an das Gesundheitswesen zu reden. Denn die alternde Bevölkerung brauche eine andere Versorgung. Deshalb plädiert Oggier für eine Umlagerung der Kosten, weg von den Spitalbehandlungen hin zu ambulanten Leistungen. Es gehe in Zukunft vermehrt um chronische Krankheiten wie Bluthochdruck oder Diabetes und weniger um Operationen.
Weniger Spitäler, mehr ambulante Behandlungen?
Dies ist auch politisch seit Jahren ein Thema. Doch die entsprechende Reform stecke fest, nicht zuletzt wegen des Widerstandes der Kantone, so Oggier. Seiner Meinung nach müsste man die Macht der Kantone einschränken. Denn sie hätten einen Interessenskonflikt und sie müssten sich entscheiden: Entweder das Gesundheitswesen planen oder Spitäler betreiben.
Die meisten der vorgeschlagenen Massnahmen sind entweder kalter Kaffee oder Rohrkrepierer.
Nach seinen Vorstellungen braucht es beispielsweise künftig weniger Universitätsspitäler. Das würde Mittel freimachen für die Verlagerung von teureren stationären zu ambulanten Behandlungen, die kostenmässig günstiger seien.
An Ideen für ein effizienteres Gesundheitssystem mangelt es nicht. Doch offenbar ist der Leidensdruck noch zu wenig hoch, um das System fundamental zu reformieren.