Vor zwei Jahren haben in Afghanistan die Taliban die Macht übernommen. Das hatte auch zur Folge, dass das afghanische Konsulat in Genf keine Reisepässe mehr ausstellen konnte. Für in der Schweiz wohnhafte Afghanen ohne Papiere bedeutete dies, dass sie nicht ins Ausland reisen konnten – weder für einen Verwandtenbesuch, noch für eine Schulreise. Insgesamt sind über 30'000 Menschen betroffen.
Nun aber hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil festgehalten, dass es für Afghanen und Afghaninnen unmöglich sei, Papiere ihres Landes zu beschaffen. Sie gelten also neu als schriftenlos. Das Staatssekretariat für Migration bestätigt die Praxisänderung gegenüber SRF. Für die Betroffenen besteht die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen auf einen Pass für ausländische Staatsangehörige.
Pfleger aus Basel stösst Regeländerung an
Erreicht hat dies ein junger Afghane, der sich nicht damit abfinden wollte, dass er die Schweiz nie verlassen darf. Farid Abdulhagh (24) ist seit sieben Jahren in der Schweiz. Der Spitex-Angestellte hat eine B-Bewilligung und konnte bislang trotzdem nicht reisen, weil er keine Papiere hatte. Obwohl Bewegungsfreiheit ein verfassungsmässig garantiertes Recht ist, wurden selbst Afghaninnen und Afghanen mit B- und C-Bewilligung Schweizer Ersatzpapiere verweigert, mit der Begründung, die Papierbeschaffung sei grundsätzlich möglich.
Um afghanische Papiere bemühte sich Abdulhagh all die Jahre vergeblich. Nach dem Sturz der afghanischen Regierung vor zwei Jahren durch die Taliban erklärte das Konsulat in Genf, Papiere zu bekommen, sei unmöglich. Abdulhagh beantragte deshalb beim Staatssekretariat für Migration Reisepapiere, doch sein Gesuch wurde abgelehnt – zu Abdulhaghs Unverständnis. «Seit 2021 bin ich mehrmals nach Genf gefahren, um einen Pass zu bekommen. Wie lange soll man einem Pass hinterherrennen – 20, 30 Jahre, das ganze Leben? Das ist nicht fair.»
SEM: «Grüner Schweizer Pass ist ein hohes Gut»
In seiner Verzweiflung wandte sich Abdulhagh an die Rechtsberatung des Heks (Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz). Juristin Sandra Gisler formulierte die Beschwerde ans Bundesverwaltungsgericht und bekam Recht – für Afghanen sei es tatsächlich unmöglich, Papiere zu beschaffen.
Das Urteil sei ein Durchbruch, meint Gisler. «Mit einer B-Bewilligung hat man das Recht, zu verreisen. Diese Menschen können dank dieses Urteils nun elementare Grundrechte, etwa Familienmitglieder im Ausland zu besuchen, wieder ausüben.»
Wir sind zurückhaltend mit der Vergabe dieser Pässe, sie sind ein Teil der Schweizer Passfamilie.
Betroffene Afghaninnen und Afghanen können nun den begehrten grünen Schweizer Pass für ausländische Personen ohne Papiere bekommen. Mit diesem können sie in die allermeisten Länder reisen, erklärt Daniel Bach, Mediensprecher des SEM, gegenüber SRF. «Das gilt für alle Afghanen, die in der Schweiz eine Niederlassung oder Aufenthaltsbewilligung haben. Asylsuchende oder vorläufig Aufgenommene müssen einen guten Grund haben für ihre Reise – dann bekommen sie auch so einen Ausweis.»
Wieso dauerte es so lange? Gemäss Daniel Bach sei immer klar gewesen, dass die betroffenen Personen keinen afghanischen Pass erhalten, aber: «Man wollte abwarten, ob sich diese Situation ändert. Das hat zum einen damit zu tun, dass man nicht in die Passhoheit eines anderen Staates eingreifen will, zum anderen, dass wir sehr zurückhaltend sind mit der Vergabe dieser Pässe. Sie sind ein Teil der Schweizer Passfamilie, von daher ein hohes Gut.»