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Mitten im Machtpoker Schweizer Aussenpolitik: Immer unter dem Radar bleiben

Die internationalen Umwälzungen gehen auch an der Schweiz nicht spurlos vorüber. Doch Bern versucht, möglichst unauffällig zu bleiben.

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter fühlt sich missverstanden. Sie habe nur einen Aspekt der Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance als «schweizerisch» und  «liberal» bezeichnet – und zwar über die Aussage von Vance, dass man auf die Bevölkerung hören und die Meinungsfreiheit garantieren müsse.

Das betonte sie gegenüber dem Westschweizer Fernsehen RTS am Mittwoch erneut. Über die restliche Rede habe sie nichts gesagt: Es sei nicht an ihr, über die USA zu urteilen oder darüber, was Vance über Europa gesagt habe.

Da ist sie wieder: diese gut-schweizerische, neutrale Haltung.

Mit allen gute Beziehungen wahren

Dass sich Karin Keller-Sutter überhaupt zur umstrittenen Rede geäussert hat, hatte ja nicht wirklich von Neutralität gezeugt. Man könnte der Bundespräsidentin höchstens attestieren, dass sie sich mit dem wohlwollenden Kommentar in Diplomatie üben wollte. Zumindest gegenüber den USA.

«Nicht über andere urteilen, mit allen die guten Beziehungen wahren» – etwa so lässt sich die aussenpolitische Haltung der Schweiz zusammenfassen.

Das bestätigen auch jüngste Aussagen von Aussenminister Iganzio Cassis. In Rumänien sagte er gegenüber RTR, man sei in engem Kontakt mit der westlichen Welt, oder dem globalen Süden – und auch mit Russland. Und man versuche, immer bereit zu sein, um als Werkzeug zu dienen, Kriege zu beenden.

Person im Anzug spricht bei Konferenz vor Schweizer Flagge.
Legende: Aussenminister Cassis: Man will es sich mit keiner Seite verscherzen und fliegt am liebsten unter dem Radar. Reuters/Urs Flüeler

Bundesratskandidat Markus Ritter schlug denselben Ton an: In einem Tamedia-Interview sagte er kürzlich, die Schweiz müsse «unter dem Radar bleiben» angesichts der Konflikte zwischen den Grossmächten. Und sich heraushalten.

Vorsichtige Haltung hat Tradition

Diese vorsichtige Haltung der Schweiz in der Aussenpolitik habe Tradition, sagt Sacha Zala, Historiker und Direktor der Forschungsstelle Diplomatische Dokumente der Schweiz, Dodis.

Die Schweiz erhoffe sich von dieser Strategie auch, etwa von Strafzöllen verschont zu bleiben. «Bis zu einem gewissen Grad kann das funktionieren», sagt Zala.

Doch wenn es für die Grossmächte um wirklich Essenzielles gehe, sei es eine falsche Hoffnung zu denken, man werde nicht bestraft, bloss weil man sich gut benommen habe.

Irgendwann ist die Schmerzgrenze erreicht

Die Schweiz tue sich zudem schwer damit zu akzeptieren, dass man auch als kleines Land in vielen Bereichen eine Macht sei: «Die Schweiz ist wirtschaftlich eine grosse Macht.»

Und wenn auf diesem Gebiet für die Partner eine Schmerzgrenze erreicht sei, seien diese nicht mehr bereit, der Schweiz alles nachzusehen. Auch in der Vergangenheit habe die Strategie der vorsichtigen Aussenpolitik nicht immer funktioniert, sagt Zala.

Die vorsichtige Aussenpolitik basiert auf unserer Vorstellung der Schweizer Neutralität. Doch genau über den Neutralitätsbegriff herrsche eine grosse Verwirrung hierzulande, betont Zala.  

Diese Grundsatzdebatte wird die Schweiz weiter beschäftigen.

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Echo der Zeit, 20.2.2025, 18:00 Uhr

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