2021, Klimakonferenz in Glasgow: Bundesrätin Simonetta Sommaruga vertritt die Schweiz: «Wir müssen staatliche Beihilfen für Kohle und fossile Energien nicht nur runterfahren, sondern beenden.»
Die Schweizer Delegation um Umweltministerin Sommaruga versprach zusammen mit rund dreissig anderen Ländern, Staatshilfen für fossile Energieprojekte im Ausland zu stoppen. Also Schweizer Firmen, die im Ausland Öl-, Kohle- oder Gasprojekte realisieren, nicht mehr staatlich zu begünstigen.
Die schweizerische Exportrisikoversicherung SERV versichert Exporteure etwa gegen Zahlungsausfälle ausländischer Käufer. Dank dieser staatlichen Versicherung kann der Schweizer Exporteur mit weniger Sorgen und günstiger auch in instabilen Staaten offerieren.
Solange Europa und die Schweiz auf Gas als Übergangstechnologie zurückgreifen, können wir dem Rest der Welt nicht sagen, dass sie das nicht auch dürften.
Weil die Politik dies für fossile Projekte aber im Grundsatz ausschloss, erliess die SERV folgende Richtlinie. «Die SERV wird denjenigen internationalen Energiesektor nicht mehr unterstützen, der voll auf fossile Energie ausgerichtet ist.»
Kehrtwende beim Klimaversprechen
Drei Jahre später folgt nun die Kehrtwende: Im autoritär regierten Turkmenistan versichert die SERV ein neues Gaskraftwerk mit. Und sie passt im Mai plötzlich die Richtlinie an. Die Bundesagentur könne wieder fossile Energieprojekte versichern, wenn diese den wirtschafts-, aussen-, handels- und entwicklungspolitischen Interessen der Schweiz dienen.
Warum diese Änderung? Nach dem Rücktritt als Ständerat wurde Ruedi Noser in den SERV-Verwaltungsrat gewählt. Er sagt: «Solange Europa und die Schweiz auf Gas als Übergangstechnologie zurückgreifen, können wir dem Rest der Welt nicht sagen, dass sie das nicht auch tun dürfen.»
Zudem gebe es Widersprüche zwischen Exportförderauftrag, aussen- und entwicklungspolitischen Richtlinien, sowie dem Glasgow-Statement, so die SERV. «Man kann nicht immer alle drei Kriterien erfüllen. Da muss man einen pragmatischen Weg suchen», so Noser.
SECO trägt Abwägung mit
SRF erfährt, dass die Aufsichtsbehörde in Bern diese Abwägung mitträgt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft schreibt, es wolle das Glasgow-Versprechen bestmöglich umsetzen. Kohle- und Öl-Versicherungen seien Tabu. «Bei modernen Gaskraftwerken kann eine Unterstützung aber durchaus sinnvoll sein. Deshalb gilt es, entsprechende Anträge (...) unter Berücksichtigung sowohl wissenschaftlicher als auch realpolitischer Aspekte zu bewerten.
Gas als anerkannte Übergangslösung sei so eine Sache, sagt der langjährige Kenner von Klimaverhandlungen, Axel Michaelowa. «Alle Länder, die erklärt haben, sie würden als Krisenmechanismus auf Gas setzen, haben auch gesagt, dass das vorübergehend ist. Und das sind nicht fünfzig Jahre, sondern zehn bis zwanzig Jahre», sagt er.
Andere Staaten haben Statement nie umgesetzt
Projekte wie in Turkmenistan würden aber mindestens doppelt so lange CO₂ ausstossen. «Wenn wir auf den Absenkpfad von 1.5 Grad gemäss Pariser Abkommen kommen wollen, dann können wir solche langfristigen Investitionen nicht mehr unterstützen», so Michaelowa.
Wichtig zu erwähnen ist allerdings: Andere Staaten haben das Glasgow-Statement nie umgesetzt. Nur: Erst umsetzen, dann zurückrudern, dieses Verhalten der Schweiz ist höchst ungewöhnlich.