Alle Warnungen des renommierten Beratungsunternehmens KPMG nützten nichts. Armeechef Thomas Süssli hat am 4. November entschieden, die Variante mit (gemäss KPMG) «höchstem Risikograd» weiterzuverfolgen und das neue System zur Überwachung des militärischen Luftraums SkyView in die Neue Digitalisierungsplattform (NDP) der Schweizer Armee zu integrieren.
Nur einen Tag später begründete Süssli seinen Entscheid in einem Brief an mehrere Kommissionen des Parlaments. Aus «verschiedenen Varianten», die man geprüft habe, seien dem zuständigen Programmausschuss deren zwei präsentiert worden. Eine davon habe ihm der Programmleiter «zur Weiterarbeit beantragt».
Nach einer Anhörung aller Mitglieder des Programmausschusses sei er diesem Antrag gefolgt, schreibt der Armeechef. Und weiter hält er fest: «Namentlich haben sich das Generalsekretariat VBS, Armasuisse, das Kommando Cyber und die Luftwaffe für diese Lösung ausgesprochen.»
Support der Luftwaffe vorgetäuscht?
Doch das Protokoll der Sitzung vom 4. November, das Radio SRF vorliegt, sagt etwas anderes. Demnach hat sich der Vertreter der Luftwaffe, der im Protokoll mit KAN abgekürzt wird, gar nicht auf eine Variante festgelegt. «KAN enthält sich einer Empfehlung», heisst es da.
Und: «Aufgrund der Risiken» scheine für den Vertreter der Luftwaffe eine andere Variante «geeigneter» als die vom Programmleiter beantragte. Die Luftwaffe vertraue darauf, dass das Kommando Cyber die am Schluss von Armeechef Süssli gewählte Variante «realisieren kann».
Hat Armeechef Süssli im Brief ans Parlament also Support der Luftwaffe vorgegaukelt, obschon es diesen gar nicht gibt? Von Radio SRF mit dem Sitzungsprotokoll konfrontiert, erklärt die Armee: «Der Chef der Armee schrieb nicht, dass die Luftwaffe den Antrag unterstütze, sondern die Lösung.»
Worin der Unterschied zwischen «Antrag» und «Lösung» liegen soll, führt die Armee nicht aus. Im Brief ans Parlament gebraucht Armeechef Süssli sowohl den Begriff «Antrag» als auch die Begriffe «Varianten» und «Lösung». Weiter hält die Armee fest: «Der Kommandant Luftwaffe hat mehrfach und auch schriftlich seine Unterstützung für die Neue Digitalisierungsplattform bestätigt.»
Der Kommandant Luftwaffe habe sich zu der von Armeechef Süssli ausgewählten Variante dahingehend geäussert, «dass er die technische Umsetzung selber nicht beurteilen kann, den Experten vertrauen und die Lösung unterstützen würde». Dies habe den Armeechef im Brief ans Parlament zur Aussage geführt, «dass auch die Luftwaffe die Lösung unterstützt».
«Nicht erfüllte Prognosen» und «Misstrauen»
Dem Protokoll zur Sitzung vom 4. November ist allerdings auch noch ein Statement der Luftwaffe angehängt, das diese dem Armeechef am 8. November mittels «Aktennotiz» nachträglich übermittelt hat. Süssli hatte gebeten, ein «Sentiment» zur NDP abzugeben. Die Luftwaffe schrieb:
«Die Luftwaffe sieht den zwingenden Aufbau einer sicheren IKT-Architektur und -Infrastruktur für den Betrieb und Verbund einsatzkritischer Anwendungen der Armee. Die dafür vorgesehene Realisierung mittels NDP, in der Verantwortung des Kommandos Cyber, hat die bisherigen Erwartungen und Prognosen in Bezug auf Budget und Zeitvorgaben nicht erfüllt. Um das vorhandene Misstrauen gegenüber der NDP und dem Kdo Cyber zu beseitigen, sind dringend positive Resultate gemäss Erwartungen zu erzielen. Die Luftwaffe unterstützt nach Kräften.»
Da ist also von «nicht erfüllten» Prognosen und «Misstrauen» die Rede. Die «Unterstützung nach Kräften» bezieht sich zudem nicht auf die NDP, sondern auf die Forderung der Luftwaffe, «dringend positive Resultate gemäss Erwartungen» zu erzielen.