Von null auf Bundesrat in gerade einmal fünf Wochen: Die Wahl von Bundesrat Martin Pfister ist eine Überraschung, ein Experiment und ein Krisensymptom.
Eine Überraschung, weil es Regierungsräte ohne Bundeshaus-Vergangenheit in den letzten Jahren nicht in den Bundesrat geschafft haben. Ein Experiment, weil Pfister ohne bundespolitisches Netzwerk ins Amt startet. Und ein Krisensymptom, weil letztlich erst der Reigen von hochkarätigen Absagen in der Mitte-Partei dazu geführt hat, dass sich Martin Pfister überhaupt ins Rennen geworfen hat.
Der Bauernpräsident als Pfisters Wahlhelfer
Martin Pfister hat profitiert vom polarisierenden und forschen Charakter seines Konkurrenten Markus Ritter. Er fährt eine verblüffend klare Niederlage ein. Heute wird deutlich, wie viele Gegner sich der Bauernpräsident geschaffen hat in seiner 13-jährigen Nationalratskarriere – und das nicht nur bei den Linken, die sich in ökologischen Fragen mit Ritter überworfen haben.
Auch Ritters Kampagne mit auffallend isolationistischen und betont konservativen Tönen dürften dazu beigetragen haben, dass er zuletzt offenbar bei der FDP und selbst bei der eigenen Mitte-Partei mehrheitlich durchfiel.
Ein Zeichen für mehr Konsenspolitik
Pfister umgekehrt hat gepunktet mit dem Profil, das er sorgfältig gepflegt hat: als ausgleichend, aussen- und europapolitisch offen und wirtschaftsliberal.
Das Parlament wünscht sich für den Bundesrat offensichtlich mehr Konsens und weniger Polarisierung. Das dürfte auch eine Reaktion sein auf ständige Berichte über Leaks, Streitigkeiten und Vertrauenskrisen im Siebnergremium.
Knackt Pfister den Viererblock?
Der neue Bundesrat trifft auf ein Kollegium in der Krise: Der Bundesrat ringt bislang eher hilflos um Antworten auf die sicherheits- und aussenpolitischen Umwälzungen in Europa. Pfisters Vorgängerin Viola Amherd war zuletzt isoliert und zerstritten mit den vier FDP- und SVP-Bundesräten. Diese arbeiten zurzeit eng und gut zusammen und bilden einen eigentlichen Viererblock.
Martin Pfister wird sich seinen Platz verschaffen müssen. Er wird versuchen müssen, den Viererblock aufzubrechen, zum Beispiel in der Europa- und Aussenpolitik – oder auch im Kampf um mehr Geld für die Armee. Keine einfache Aufgabe als einziger Mitte-Vertreter im Bundesrat. Und als Neuling in Bundesbern.
Künftige Gegenspielerin könnte Karin Keller-Sutter sein
Am Freitag wird der Bundesrat Martin Pfister voraussichtlich das Verteidigungsdepartement (VBS) zuweisen. Bereits in 19 Tagen hat er seinen ersten Amtstag. Auf eine längere Schonfrist darf er kaum hoffen. Dafür sind die Baustellen schlicht zu gross: Da sind die krisengeschüttelten Milliardenprojekte im VBS. Da sind die Finanzprobleme der Armee. Da ist die dringende Suche nach Nachfolgern für die abtretenden Chefs der Armee und des Nachrichtendienstes.
Und da ist die Frage, woher das Geld kommen soll für die geplante massive Aufrüstung. Grosse Gegenspielerin des Verteidigungsministers in spe wird hier die machtbewusste Finanzministerin Karin Keller-Sutter sein. Bundesrat Martin Pfister bringt zwar militärische Erfahrung mit, sicherheitspolitisch startet er jedoch fast bei null. Die Gefahr im VBS ist stets, dass der Departementschef von der Armee geführt wird statt umgekehrt.