Hitzewellen, Starkregen, Stürme – die Schweiz wurde diesen Sommer von einigen Wetterextremen heimgesucht. Ein Phänomen, das sich in den vergangenen Monaten auch global beobachten liess. So war der Sommer 2023 weltweit gesehen der mit Abstand heisseste seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1940. Das meldet der EU-Klimawandel-Dienst «Copernicus». Klimaforscherin Sonia Seneviratne befasst sich mit Extremereignissen und ist festes Mitglied im Weltklimarat. Der Sommer in der Schweiz spiegelt die globale Entwicklung wider, sagt sie.
SRF News: Wie war der Sommer in der Schweiz – wie zeigt sich der Klimawandel hier?
Sonia Seneviratne: Die Schweiz war von zwei Hitzewellen auf der Alpennordseite und drei Hitzewellen in der Alpensüdseite betroffen. Die Wahrscheinlichkeit und die Intensität von Hitzewellen in der Schweiz nehmen klar zu. Dies ist auch in fast allen anderen Regionen der Welt der Fall.
Mehr als 300 Todesfälle während des Hitzesommers 2022 sind dem vom Menschen verursachten Klimawandel zuzuschreiben.
Der Einfluss des durch den Menschen verursachten Klimawandels auf die Zunahme der Hitzewellen ist seit Jahrzehnten etabliert. Der Hitzesommer im Jahr 2022 hatte schlimme Konsequenzen: In Europa sind 61'000 Menschen zusätzlich gestorben.
In der Schweiz konnten wir mit Forschern der Universität Bern zeigen, dass mehr als 300 Todesfälle während des Hitzesommers 2022 dem vom Menschen verursachten Klimawandel zuzuschreiben waren. In diesem Jahr erlebten wir eine Hitzewelle Ende August und hohe Temperaturen im September. Solch hohe Temperaturen im Spät- oder Frühsommer sind ebenfalls ein klares Merkmal des vom Menschen verursachten Klimawandels.
Auch die heftigen Niederschlagsereignisse in der Ostschweiz, Graubünden und Tessin Ende August sind typisch für die Klimatrends in der Schweiz. An 17 Messstandorten wurde bei diesem Ereignis die höchste 3-Tagessumme seit Messbeginn gemessen. Weil warme Luft mehr Feuchte aufnehmen kann, führt die zunehmende Klimaerwärmung in Zentraleuropa sowohl zu einem häufigeren Auftreten von Dürren als auch zu einer Zunahme von Starkniederschlägen.
Beim Sturm in La Chaux-de-Fonds ist es hingegen schwieriger zu evaluieren, ob es einen Beitrag der Klimaerwärmung gab. Der Einfluss vom Klimawandel auf Windstürme ist nicht ausgeschlossen, aber noch nicht sicher.
Inwiefern ist dieser Sommer in der Schweiz symptomatisch für die globale Entwicklung?
Einige Aspekte diesen Sommer waren typisch für die Verhältnisse, die wir zunehmend in der Schweiz erwarten: häufigere Hitzewellen und Starkniederschläge, sowie die höhere Wahrscheinlichkeit von Trockenheit oder Feuerrisiko. Und der Sommer reiht sich ein in die Entwicklung der letzten Jahre: Der letzte Sommer war noch viel trockener und heisser. Und 2021 wurde der Sommer von heftigen Starkniederschlägen geprägt. Wir haben immer seltener normale Verhältnisse.
Inwiefern gibt dieser Sommer einen Vorgeschmack auf das, was uns in Zukunft erwartet?
Ein typisches Merkmal ist das gleichzeitige Auftreten von Extremereignissen auf dem ganzen Globus. In Zukunft werden wir aber noch häufiger und intensiver von Extremereignissen betroffen sein. Die einzige Möglichkeit, diese Entwicklung zu verlangsamen und die Lage zu stabilisieren ist, die globalen CO₂-Emissionen bis 2030 zu halbieren, und bis spätestens 2040 oder 2050 auf null zu bringen. Dafür sollten wir die Verwendung von Erdöl, Gas oder Kohle sehr schnell reduzieren, und möglichst bald nahe null bringen.
Das Gespräch führte Stefanie Schunke.