Working Poor: Menschen, die zur untersten Mittelschicht gehören. Menschen, die arbeiten, aber deren Geld nirgends hinreicht. Sie berät Lorenz Bertsch. Er ist Bereichsleiter der Sozial- und Schuldenberatung St. Gallen-Appenzell. «Vielen Klienten ist es überhaupt nicht mehr möglich, gross einzusparen. Denn sie leben schon extrem sparsam.»
Und das wird das grosse Problem sein, sagt Bertsch: «Wo können sie überhaupt noch sparen? Weniger Wasser und weniger Strom brauchen, weniger mit dem Auto fahren, weniger Benzin brauchen. Denn sonst haben sie weniger Geld zum Lebensmitteleinkauf.»
Spürbare Folgen der drohenden Energiekrise
Bereits jetzt seien die Folgen der höheren Strom- und Benzinpreise zu spüren, sagt der Sozial- und Schuldenberater der Caritas. «Wir haben schon Anfragen, was Stromkosten betrifft.» Denn die Treibstoffkosten beispielsweise steigen für alle Menschen. Mit extremen Auswirkungen auf das Budget. Ein weiterer Kostenpunkt: «Die Nebenkostenabrechnungen werden im Frühling zu einem grossen Problem führen. Für uns ist das eine Zeitbombe.»
Für uns ist das eine Zeitbombe.
Duschen statt baden, nur einzelne Räume statt die ganze Wohnung heizen, so oft wie möglich auf das Auto verzichten. So klingen die Spartipps, die Bertsch in den Beratungen gibt. Aber gerade auf das Auto könnten viele Betroffene gar nicht vollständig verzichten.
«Viele Menschen, gerade im Working-Poor-Bereich, arbeiten in der Industrie. Sie müssen am Morgen um 2:00 oder 4:00 in der Schichtarbeit erscheinen.» Um diese Zeit fahren keine öffentlichen Verkehrsmittel. «Es ist diesen Menschen gar nicht möglich, aufs Auto zu verzichten.»
Schon Mehrkosten von 50 oder 100 Franken im Monat würden sich auf den Alltag auswirken, und zwar drastisch, sagt Sozial- und Schuldenberater Bertsch: «Sie müssen das irgendwo einsparen. Und es bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zum Beispiel beim Essen einzusparen.»
Unterstützen können Bertsch und sein Team mit einer Budget- und Finanzplanung. Aber die Möglichkeiten seien limitiert. «Wir können miteinander Einsparmöglichkeiten ausarbeiten. Da finden sich oft Punkte, wo 50 oder 70 Franken eingespart werden können.»
Und da setzen sie an. Ein Problem besteht dennoch: «Wenn eine fünfköpfige Familie 4000 Franken verdient und jetzt schon knapp ist, hat sie fast keine Möglichkeit mehr zum Sparen. Entsprechend fehlt es woanders.»
Die Situation sei schon jetzt angespannter als zuvor, und die Aussichten würden keinen Grund zur Entspannung geben. «Wegen der ganzen Kostentreiber Strom, Benzin und Nebenkosten gehen wir davon aus, dass etwa im Frühling nächstes Jahr Geld fehlen wird. Gerade den Working Poor und den Menschen am Existenzminimum werden 300 bis 400 Franken fehlen.»
«Mehr Menschen werden sich verschulden»
Das Leben ist bereits teurer geworden. Bertsch rechnet mit Folgen: «Wir werden erleben, dass sich immer mehr Leute verschulden. Und wir werden erleben, dass gerade in der untersten Mittelschicht immer mehr Leute in die Armut abrutschen werden.»