Eine Krebstherapie kostet viel Geld, die Behandlung eines Armbruchs deutlich weniger. Doch wie schwer fallen die Heilkosten übers ganze System hinweg tatsächlich ins Gewicht?
Ergebnisse einer neuen Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften geben erstmals einen Einblick in die Kostenanteile einzelner Erkrankungen und medizinischer Dienstleistungen im Schweizer Gesundheitssystem. Dafür haben die Forschenden im Detail die Kosten von über 40 Krankheiten sowie Unfälle und Präventionsarbeit untersucht.
Es zeigt sich: Psychische Erkrankungen stellen die teuerste Hauptkrankheitsgruppe dar, gefolgt von Erkrankungen des Bewegungsapparats und neurologischen Erkrankungen wie Demenz.
Anteilsmässig sind die Kosten von Krebs nicht so hoch.
«Es ist sicherlich eindrücklich, dass die chronischen, nicht tödlichen Krankheiten den grössten Anteil an den Kosten im System ausmachen», meint Gesundheitsökonom Simon Wieser, der an der Studie mitgearbeitet hat. Das veranschaulicht der Gruppentyp Tumore: «Krebs hat gemessen an der Sterblichkeit zwar eine sehr hohe Krankheitslast, auch werden immer wieder die hohen Medikamentenpreise diskutiert, aber anteilsmässig sind die Kosten von Krebs nicht so hoch.» Traurige Begründung: Die Menschen sterben an Krebs und nicht an Arthrose.
Der in der Studie untersuchte Zeitraum liegt schon ein wenig zurück. Doch: «Die aktuelle Nachfrage von Therapieplätzen, die stark ausgelasteten Kinder- und Jugendpsychiatrien sowie die dort ausgebauten Kapazitäten sind alles Indizien, dass auch heute nach Corona die psychischen Krankheiten einen grossen, wenn nicht einen grösseren Anteil an den Kosten ausmachen», so Wieser.
Dies bestätigt auch Philippe Luchsinger: «Psychischen Erkrankungen haben in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen, vor allem in den Altersklassen Jugendliche und junge Erwachsene», so der Präsident des Verbands der Haus- und Kinderärzte.
In fünf Jahren sind die Ausgaben um einen Fünftel gestiegen
Ebenfalls zugenommen haben die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung insgesamt. Das Forschungsteam der ZHAW kommt in seiner Untersuchung auf eine Zunahme von 19.7 Prozent zwischen 2012 und 2017. Die Gesamtkosten dürften 2023 auf über 90 Milliarden anwachsen.
In der Studie wird die Alterung der Gesellschaft interessanterweise erst an dritter Stelle mit der Kostenzunahme in Verbindung gebracht. Wichtiger sei demnach ein Anstieg der Ausgaben pro Patientin oder Patient – was bis heute gleich geblieben sein dürfte. Die Autoren sprechen von einer möglichen Erhöhung der Behandlungsintensität.
Im Bereich der ambulanten Grundversorgung können wir keine Zunahme der Kosten pro Patienten feststellen.
Philippe Luchsinger relativiert: «Aus unseren Daten nach 2017 können wir im Bereich der ambulanten Grundversorgung keine Zunahme der Kosten pro Patienten feststellen.» Gleichzeitig sieht der Verbandspräsident der Haus- und Kinderärzte in Bezug auf die Ausgabensteigerungen einen erheblichen Einfluss bei der hohen Dichte von Fach- und Organspezialisten. So werde «intensiver und extensiver abgeklärt» und schliesslich mehr behandelt.
Die Gesamtkostenzunahmen habe sicherlich auch mit der generellen Zunahme an Patientinnen und Patienten zu tun. «Und dies nicht, weil wir sie einbestellt haben, sondern weil mehr Patientinnen unsere Dienste in Anspruch nehmen wollten.»