Im Berner Erlacherhof, am Sitz des Berner Stadtpräsidenten, arbeitet Claudia Mannhart. Sie ist Stadtschreiberin von Bern. Sie und ihr Team vom Stimmregister schauen genau hin, wenn Initiativkomitees Unterschriftenlisten einreichen. Sie vergleichen Vornamen, Namen, Adresse und Geburtsdatum auf den Bögen mit dem elektronischen Stimmregister. Wenn eine Person minderjährig ist oder keinen Schweizer Pass hat, dann wird dies sofort entdeckt. «Dann gibt es bei uns ein Signal, dass diese Person nicht stimmberechtigt ist», sagt Mannhart.
25 Prozent ungültige Unterschriften
Auch wer bereits einmal unterschrieben hat, wird vom System automatisch erkannt. So werden die ungültigen Unterschriften aussortiert. 25 Prozent der eingereichten Unterschriften bei eidgenössischen Initiativen seien im Durchschnitt ungültig, sagt Mannhart. Dahinter stecke in der Regel aber nicht böse Absicht.
Knapp 90'000 Stimmberechtigte wohnen in der Stadt Bern. Für die Prüfung von Initiativen und Referenden investiert die Stadt viele Ressourcen. Drei bis vier Angestellte überprüfen mindestens einmal die Woche die eingereichten Initiativlisten, manchmal gar täglich.
Keine Kontrollanrufe in Trubschachen
Einen kleineren Aufwand für die Prüfung betreibt Trubschachen im Emmental. 1400 Einwohner hat Trubschachen. Hier nimmt Gemeindeschreiberin Heidi Stalder die Initiativbögen entgegen. Dies geschehe vielleicht zwei-, dreimal monatlich. Oft seien es auch nur eine oder zwei Unterschriften pro Bogen.
Wird bei einer Unsicherheit persönlich nachgefragt, ob jemand wirklich unterschrieben habe? Stalder verneint: «Wir würden uns nicht anmassen, einer Person zu unterstellen, dass sie ein Anliegen nicht hätte unterschreiben wollen.» Verdächtige Unterschriftenbögen seien auch noch nie aufgetaucht, sagt Gemeindeschreiberin Heidi Stalder.
Lücke: Die eigentliche Unterschrift
Die Lücke im System ist aber die eigentliche Unterschrift. In der Schweiz wird die Unterschrift – das schnelle Hinkritzeln des eigenen Namens – nicht überprüft. Es gibt keine staatliche Datenbank mit den Originalunterschriften. Wer also Zugang hat zu Namenslisten mit Geburtsdaten und Adressen, der kann die Unterschrift fälschen und wird möglicherweise nicht entdeckt.
Claudia Mannhart, die Stadtschreiberin von Bern, sieht dies anders: «Ich habe das Gefühl, wir entdecken schon einige Unregelmässigkeiten.» Solche Unregelmässigkeiten haben Mannhart und ihr Team in der Vergangenheit bereits identifiziert. So seien ganze Bögen mit der gleichen Handschrift ausgefüllt worden. Oder Personen hätten ihren eigenen Vornamen falsch geschrieben oder Umlautzeichen (Ä, Ö, Ü) seien vergessen gegangen.
Vier Meldungen an Bundeskanzlei
Bei vier Initiativen habe die Stadtkanzlei Bern ein Muster erkannt, das mutmasslich auf Fälschungen hindeutete. Das war bei der Stopp-Blackout-Initiative, bei zwei Windkraft-kritischen Initiativen und bei der Tierversuchsverbots-Initiative der Fall. Die Stadtkanzlei hat diesen Verdacht der Bundeskanzlei gemeldet. Trotz Lücken im System – die Behörden vertrauen ihren Kontrollinstrumenten.