Der Luzerner FDP-Nationalrat Peter Schilliger will aufräumen mit dem «Wildwuchs in Sachen Temporegimes», wie er sagt. Mit seiner Motion soll verhindert werden, dass gut ausgebaute Verkehrsachsen zu Kriechspuren werden.
Generell Tempo 50 auf Hauptstrassen müsse im nationalen Strassenverkehrsgesetz verankert werden, verlangt Schilliger in seinem Vorstoss.
Der Bund gibt die Vorgaben für das Hauptstrassennetz vor.
Dabei sieht er keine Kompetenzbeschneidung von Kantonen und Gemeinden – denn die Strassenverkehrsgesetzgebung sei Bundessache. «Der Bund gibt die Vorgaben für das Hauptstrassennetz vor», betont Schilliger.
Hauptstrassen dienten in erster Linie der effizienten Mobilität, diese sei bei Tempo 30 nicht mehr möglich. Schilliger ist auch Präsident der TCS-Sektion Waldstätte, welche die Kantone Luzern, Obwalden und Nidwalden mit einschliesst.
Opposition von VCS und Gemeindeverband
Gar keine Freude an diesem Vorstoss hat der Verkehrsklub der Schweiz VCS. Für Präsident Ruedi Blumer ist klar: Bern darf sich hier bei Kantonen und Städten nicht einmischen, denn das widerspreche dem Föderalismus.
Blumer weiss, wovon er spricht. Denn immer wieder kommt es zu Streitigkeiten zwischen Städten und Kantonen, weil diese ihre Städte immer mal wieder bremsen bei der Umsetzung von Tempo 30.
Städte und Gemeinden wissen selbst am besten, wo es eine Tempobeschränkung braucht.
Das gehe nicht, betont der VCS-Präsident. «Es geht nicht an, dass die Kantone das den Gemeinden verbieten, und noch weniger, dass der Bund das den Kantonen verbietet.»
Auch der Schweizerische Städteverband ist alles andere als begeistert von Schilligers Motion. «Städte und Gemeinden wissen selbst am besten, wo es eine Tempobeschränkung braucht», betont Vizedirektorin Monika Litscher.
Parlament übersteuert Bundesgerichtsentscheide
Das Befehlen von oben nach unten sei unschweizerisch und unföderalistisch, so der Tenor der Betroffenen. Das könne durchaus sein, sagt Alain Griffel, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich. Aber der Vorgang des eidgenössischen Parlaments sei legitim. Es gehe hier um die Anwendung von übergeordnetem Recht.
Den Staatsrechtler stört etwas anderes viel mehr – nämlich, dass mit Schilligers Motion einmal mehr ein Bundesgerichtsentscheid ignoriert wird. Denn Temporeduktionen seien anerkannte Massnahmen zur Lärmreduktion, so Griffel.
Immer häufiger korrigiert das Parlament Entscheide des Bundesgerichts.
Und hier habe das höchste Schweizer Gericht seit 2016 mehrmals festgehalten, dass Temporeduktionen auch auf Hauptstrassen zu prüfen seien. «Das würde, sollte der Vorstoss Gesetz werden, verunmöglicht.»
Die Motion Schilligers sei keineswegs ein Einzelfall: «In jüngster Zeit hat es sich auf auffällige Weise gehäuft, dass das Parlament Entscheide des Bundesgerichts korrigiert.» Diese Geringschätzung des obersten Gerichts sei problematisch was die Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung betreffe, so Staatsrechtler Griffel.
Geschäft bald im Ständerat
Verkehrspolitiker Schilliger ist dennoch davon überzeugt, dass sein Vorstoss gute Chancen hat. Die erste Hürde im Nationalrat hat er bereits im letzten Herbst genommen. Und auch im Ständerat sehe es gut aus, meint der FDP-Nationalrat.
Beim Städteverband hingegen hofft man, dass die Kantonsvertreter sensibler sind. Schliesslich gehe es hier um die Beschneidung von kantonalen Kompetenzen durch den Bund. Voraussichtlich in zwei Wochen fällt der Entscheid.