Der Bundesratsbericht zur Bankenstabilität umfasst 22 Massnahmen, wie systemrelevante Banken stabil bleiben sollen. Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann von der Universität Zürich bewertet den Bericht als gut, vermisst aber eine Massnahme.
SRF: Was ist der Bericht zur Bankenstabilität wert?
Tobias Straumann: Es ist ja erst eine Absichtserklärung und noch etwas vage. Positiv zu werten ist, dass das Problem in seiner Tragweite erkannt ist und angegangen wird. Nicht befriedigend ist es, dass man auf der bestehenden Regulierung aufbaut, diese ein bisschen verschärft und hofft, dass das reicht.
Wie beurteilen Sie die vorgeschlagenen Massnahmen?
Positiv ist, dass die Finanzmarktaufsicht Finma mehr Instrumente bekommt. So kann die Verantwortung der für eine Pleite verantwortlichen Manager und Verwaltungsräte viel weiter gefasst werden. Die Behörden können auch frühere Boni wieder zurückfordern. Das kann in einer Finanzkrise wichtig sein.
Bussen für einzelne Manager soll es aber auch künftig nicht geben. Eine verpasste Chance?
Aus symbolischen Gründen wären Bussen sicher nicht schlecht, aber entscheidend sind Bussen nicht. Topmanager haben oft eine Versicherung dafür oder die Firma bezahlt die Busse.
Ideal wäre es, wenn die Schweiz Grossbanken wie der UBS mindestens 10 Prozent Eigenkapital vorschreibt.
Der Bundesrat schlägt zwar höhere Kapitalvorschriften vor, konkret äussert er sich aber nicht dazu. Ein Versäumnis?
Ideal wäre es, wenn die Schweiz Grossbanken wie der UBS mindestens 10 Prozent Eigenkapital vorschreibt. Heute sind es 5 Prozent. Eine solche Erhöhung ist aber sehr schwierig, wegen der internationalen Regulierung und des internationalen Wettbewerbs. Für die Politik ist das wohl zu riskant, sie hat Angst, die UBS könnte wegziehen.
Es wird früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Bankenkrise kommen.
Können die vorgeschlagenen Massnahmen eine nächste Bankenkrise verhindern?
Nein. Es wird früher oder später mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Bankenkrise kommen. Es kann dann eine heftige Panik geben, im digitalen Zeitalter sowieso. Ich bin skeptisch, dass man dann mit dem Bericht und diesen Massnahmen verhindern kann, dass es wieder zu einer Staatsintervention und zu Notrecht kommt.
Was also tun?
Die Aufsicht und der Staat müssen in einer Krise viel entschlossener eingreifen. Zum Beispiel in dem man den Abfluss von Liquidität sofort stoppt, also schlicht und einfach verbietet, dass man weiterhin Geld von der Bank abzieht. Ich wäre da für eine rigorose Finanzfeuerwehr.
Kein Geld mehr abziehen können. Was bringt das?
Man gewinnt Zeit. Das war ja das Problem bei der CS, die Abflüsse haben sich stark beschleunigt. Wenn sie richtig in Gang kommen, ist es schwierig, sie zu stoppen, indem man von der Nationalbank her einfach die Liquidität ersetzt. Das Verbot Geld abzuziehen wurde international und historisch immer wieder eingesetzt. Zuletzt in Griechenland 2015 – ohne die Massnahme wäre Griechenland aus dem Euro gefallen.
Hat man aus den bisherigen Krisen etwas gelernt?
Ja, auch schon aus der Finanzkrise 2008/09 mit der UBS hat man durchaus die richtigen Lehren gezogen. Das Problem ist einfach, dass das nicht reicht. Das Finanzsystem ist dermassen komplex und störungsanfällig, dass man eben auch nicht verhindern kann, dass der Staat in der Finanzkrise eine wichtige Rolle spielen muss. Ich glaube einfach nicht daran, dass man eine elegante Lösung finden kann, wie man eine Grossbank abwickeln kann, ohne dass der Staat wieder Garantien geben muss. Meine Schlussfolgerung: Der Staat wird wahrscheinlich auch beim nächsten Mal wieder eine Rolle spielen.
Das Gespräch führte Benita Vogel.