Am Anfang stand der Industrielle und Politiker Alfred Escher. Der Vater der Schweizer Eisenbahn suchte nach Wegen, um das Mammutvorhaben zu finanzieren. Also gründete der umtriebige Unternehmer und Politiker 1856 ein Finanzinstitut: die Schweizerische Kreditanstalt (SKA).
Der Name sollte fortan einen festen Platz im Zentrum der Schweizer Wirtschaft einnehmen. Das Wachstum der Industrienation wäre nicht möglich gewesen, ohne sie. Die Geschicke der Bank lenkten die einheimischen Wirtschaftskapitäne. Unvergessen etwa der legendäre Rainer E. Gut. Er stand der Bank während 17 Jahren als Präsident des Verwaltungsrates vor.
In den 1990er-Jahren begann sich die Welt zu wandeln, das Zauberwort hiess «Internationales Wachstum». 1997 weitete die Bank ihren Aktivitätsradius massiv aus, als sie mit dem Kauf der Winterthur in den Versicherungsmarkt einstieg. Man gab sich einen neuen Namen: Credit Suisse.
Ende 2000 beschäftige die Universalbank weltweit rund 80'000 Mitarbeiter, 28'000 davon in der Schweiz. Der Aktienkurs lag Ende Jahr bei rund 100 Franken, der Gewinn betrug 5.7 Milliarden Franken.
Und noch eine entscheidende Weiche wurde damals gestellt: Die CS nahm Kurs auf die Wall Street.
Der erfolglose Schritt nach Amerika
1988 kam es zur Übernahme der US-Bank First Boston, einem Finanzinstitut, das sich durch ein besonders aggressives Verhalten im boomenden Investment Banking der 1980er-Jahre einen Namen gemacht hatte. Die Übernahme kostete über 20 Milliarden Franken: Eine bis dahin nie erreichte Grössenordnung für ein Schweizer Unternehmen.
Doch das Unterfangen Wall Street stand von Beginn weg unter keinem guten Stern. An die ruppigen Verhältnisse gewöhnten sich die, bis dahin als eher spröde geltenden, Schweizer Banker nur schwerlich.
Stück für Stück übernahmen am Zürcher Paradeplatz Amerikaner und Briten das Ruder. Berühmt-berüchtigt war etwa John Mack, der von Morgen Stanley gekommen war und zum Co-CEO wurde. An seiner Seite amtete zwar noch lange der streng dreinblickende Deutsche Oswald Grübel – doch 2007 übernahm mit Brady Dougan auch auf oberster Stufe ein US-Amerikaner.
Anfang der 2000er kam es zu einer kurzen, aber heftigen Rezession. Viele Banken hatten sich in ihrer Evaluation der anstehenden Online-Revolution vertan. Noch war die Zeit für vieles, was später das Web 2.0 werden sollte, nicht gekommen. Nur zwei Jahre nach dem Höchststand bei der Belegschaft zählte die Bank bereits 20'000 Stellen weniger. Der Aktienkurs fiel unter 20 Franken. Man schrieb einen Verlust von 3.3 Milliarden Franken.
Die Credit Suisse im Laufe der Geschichte
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Bild 1 von 10Legende: Alfred Escher gründete nicht nur die CS-Vorgängerin SKA, er war auch treibende Kraft des Eisenbahnausbaus in der Schweiz. bis heute steht vor dem Zürcher Hauptbahnhof eine Statue von ihm. KEYSTONE/Christian Beutler
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Bild 2 von 10Legende: Der Paradeplatz mit dem Schweizerischen Bankverein (später UBS) und der Schweizerischen Kreditanstalt (später Credit Suisse) in Zürich (1. April 1971.) (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
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Bild 3 von 10Legende: Die Kreditanstalt wurde zu einer der tragenden Grössen der Schweizer Wirtschaft (im Bild: eine Filiale im Jahr 1967) KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str
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Bild 4 von 10Legende: 1977 flog der sogenannte «Chiasso-Skandal» auf. Die dortige SKA-Filiale hatte über Finanzvehikel in Liechtenstein Milliarden verschleiert. Alt-Bundesrat Nello Celio, trat im Prozess als Zeuge auf (6. Juni 1979). Der Skandal resultierte in einem Verlust von 1.4 Milliarden Franken. KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Karl Mathis
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Bild 5 von 10Legende: Trotz zwischenzeitlicher Turbulenzen genoss die SKA grosses Ansehen in der Bevölkerung. Die Mütze mit ihrem Namen wurde zum grossen Klassiker auf den Schweizer Skipisten. (im Bild: Zürcher Schulkinder in einem Skilager in den 1970er-Jahren) KEYSTONE/Str
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Bild 6 von 10Legende: Der Name der SKA war auch durch die vielen Sponsorings allgegenwärtig – so etwa im Schweizer Fussball (im Bild: Stéphane Chapuisat im WM-Qualifikationsspiel der Schweizer Nati gegen Estland am 17. November 1993 im Hardturm-Stadion in Zürich. KEYSTONE/Str
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Bild 7 von 10Legende: 1993 übernahm die spätere CS die Volksbank, damals die viertgrösste Bank der Schweiz. (im Bild: Paul Meier, Mitte, Präsident der Generaldirektion der Schweizerischen Volksbank (SVB), und Josef Ackermann, rechts, Präsident der Generaldirektion der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA), am 25. Oktober 1995). KEYSTONE/Str
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Bild 8 von 10Legende: In den 1990er-Jahren wurde der Schweizer Finanzplatz durch die Affäre um sogenannte «nachrichtenlose Vermögen» erschüttert. Hinterbliebenenorganisationen von Opfern des Holocaust forderten eine Aufklärung der Geldflüsse während der Kriegszeiten. Der US-Anwalt Ed Fagan führte den Kampf gegen die Schweizer Banken an. (Bild: 23.04.98) KEYSTONE/Martin Ruetschi
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Bild 9 von 10Legende: Rainer E. Gut, links, Präsident des Verwaltungsrats der Credit Suisse Holding, und Peter Spaelti, rechts, Präsident des Verwaltungsrats der Winterthur-Versicherung, an der Pressekonferenz zur Fusion der CS-Holding und der Winterthur Versicherung (11.08.97) KEYSTONE/Michele Limina
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Bild 10 von 10Legende: 1997 endete die 140-jährige Geschichte der Kreditanstalt. Die Bank hiess neu «Credit Suisse» (Bild: Zürcher Paradeplatz im September 2000) KEYSTONE/Martin Ruetschi
Mehrere Umbaupläne waren die Folge. 2004 gestand die Chefetage ein, dass das Abenteuer Winterthur nicht funktioniert hatte – 2006 wurde die Versicherungssparte an die französische Axa verkauft. Doch im Kerngeschäft blieb man zuversichtlich. Und: Die Boni sprudelten weiter. Im Jahr des Winterthur-Verkaufs zahlte die Bank einem entlassenen Mitarbeiter in den USA sage und schreibe 120 Millionen Dollar Entschädigung für seine Mühen. Es war das Jahr des 150-jährigen Bestehens.
Pleiten, Pech und Pannen
Es ist nicht so, dass die Credit Suisse in der Vergangenheit nie in Skandale verwickelt gewesen wäre. 1977 war die SKA durch den «Chiasso-Skandal» erschüttert worden. In der Tessiner Filiale hatte man während Jahren undeklarierte Gelder vermögender Italiener über verschleierte Finanzvehikel in Liechtenstein aufgenommen – insgesamt über zwei Milliarden Schweizer Franken. Als die Praxis aufflog, waren Rücktritte und gar Gefängnisstrafen die Folge. Die SKA gelobte Besserung.
In den 1990er-Jahren geriet die Bank in den Strudel um die Affäre um nachrichtenlose Vermögen. Vereinigungen Hinterbliebener des Holocaust hatten – mit Unterstützung einiger US-Senatoren – begonnen, auf eine Aufarbeitung der Finanzflüsse zu Kriegszeiten zu drängen. Die offizielle Schweiz und die beiden Grossbanken gaben in der Affäre kein gutes Bild ab. Sie endete mit einem Vergleich, der die CS und die UBS über eine Milliarde US-Dollar kostete.
Zehn Jahre später erfolgte der Angriff auf das Bankgeheimnis. Mit der Finanzkrise 2008 begann man sich in den USA nach Steuereinnahmen umzusehen und nahm dabei die Praktiken helvetischer Finanzinstitute ins Visier. Mehrere hiesige Banken, darunter auch die CS, mussten Bussen in Milliardenhöhe berappen.
In der Chefetage der Bank herrschte im Anschluss an die Finanzkrise zwar noch Freude darüber, dass man, anders als die Konkurrentin UBS, keine Staatshilfe in Anspruch hatte nehmen müssen. Doch die dunklen Wolken über dem Paradeplatz sollten sich in den kommenden Jahren nicht verziehen.
2015 kam es zum Wechsel an der Spitze: Von Brady Dougan übernahm Tidjane Thiam. Mit dem ehemaligen Versicherungsspezialisten sollte auch der Kulturwandel kommen: Weg vom riskanten Investmentgeschäft, das stark durch New York und London geprägt war, hin zur Positionierung als verlässliche Vermögensverwalterin für eine neue Generation vermögender Grosskunden in Asien.
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Bild 1 von 9Legende: Auch die Credit Suisse kam bei der Bankenkrise 2008 ins Rotieren. Kundinnen und Kunden gingen auf die Strasse, im Bild vor dem CS-Hauptsitz am Zürcher Paradeplatz. Die Bank war zwar angeschlagen, doch kam man besser aus der Krise als etwa die UBS. KEYSTONE/Walter Bieri
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Bild 2 von 9Legende: Anders als bei der UBS musste der Staat die CS nicht retten. Das bedeutete aber gleichzeitig, dass die CS weniger reflektiert aus der Krise ging. Insbesondere Reformen im riskanten Investment Banking blieben weitgehend aus. Im Bild der damalige CS-CEO Brady Dougan bei der Bilanzmedienkonferenz im Februar 2009. KEYSTONE/Patrick B. Kraemer
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Bild 3 von 9Legende: Die Amtszeit von Brady Dougan war von Negativschlagzeilen geprägt. So musste der CS-Chef etwa 2014 vor einem Ausschuss des US-Senats antraben. Die Grossbank bekannte sich schuldig, US-Amerikanern bei der Steuerhinterziehung geholfen zu haben und akzeptiert eine Busse von 2.6 Milliarden Dollar. Keystone/EPA/MICHAEL REYNOLDS
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Bild 4 von 9Legende: Der Kurs von Dougan ging nicht auf, die CS blutete kapitalmässig aus. 2015 trat dann Tidjane Thiam seine Nachfolge an. KEYSTONE/Walter Bieri
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Bild 5 von 9Legende: Thiam machte vieles richtig, doch kamen unter seiner Ägide immer wieder Skandale an die Öffentlichkeit. Etwa im Jahr 2016, als publik wurde, dass die CS betrügerische Kreditgeschäfte mit Mosambik abgeschlossen hatte. Im Oktober 2021 akzeptierte die Bank in einem Vergleich Strafzahlungen von rund 475 Millionen US-Dollar. KEYSTONE/Ennio Leanza
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Bild 6 von 9Legende: Am 7. Februar kündigte Thiam seinen Rücktritt an. Der Grund: ein Reputationsschaden der Bank infolge von Beschattungen der beiden ausgetretenen Geschäftsleitungsmitglieder Iqbal Khan und Peter Goerke. Nach einer bankinternen Untersuchung wurde Thiam als vollständig entlastet bezeichnet; er habe nichts von den Beschattungen gewusst. KEYSTONE/Michael Buholzer
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Bild 7 von 9Legende: Thiams Nachfolger wurde Thomas Gottstein. Doch auch der Zürcher Bankmanager konnte die CS nicht aus der Krise führen. So traf während seiner Führung etwa die Zahlungsunfähigkeit des Hedgefonds Archegos Capital im März 2021 die Bank schwer; die CS hatte darin grosse Summen investiert. Auch beim Greensill-Debakel resultierten hohe Verluste. KEYSTONE/Ennio Leanza
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Bild 8 von 9Legende: Im Februar 2022 kam es zu einem weiteren Skandal: die «Suisse Secrets». Dabei hat ein Netzwerk seine Recherchen publiziert, wonach die CS während Jahren Bankbeziehungen zu etlichen ehemaligen Staats- und Regierungschefs, Menschenhändler, Oligarchen oder wegen Korruption verurteilter Manager unterhalten hatte. KEYSTONE/Ennio Leanza
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Bild 9 von 9Legende: Die Skandale und Fehltritte liessen das Personenkarussell in der Teppichetage drehen und drehen. Derzeit am Ruder ist Ulrich Körner. Zusammen mit Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann versucht er, die Grossbank aus dem Tief zu führen. Doch die Institution kriselt weiter: Am 13. März ist der Aktienkurs auf ein Allzeittief gesunken. KEYSTONE/Michael Buholzer
Doch Thiams Amtszeit gipfelte in den Enthüllungen rund um einen Beschattungsskandal. Die Bank war ob des Wechsels eine Star-Bankers zur Konkurrentin UBS derart besorgt, dass man den Mann verfolgen liess. Thiam beteuerte zwar stets, nichts gewusst zu haben, musste aber dennoch den Hut nehmen.
Auch nach seinem Rücktritt hielten die Skandale an. In kurzer Abfolge explodierten die beiden Anlagefonds Greensill und Archegos und rissen eine milliardenschwere, klaffende Wunde in die CS-Bilanz. Nicht zuletzt im Rahmen der Veröffentlichungen «Swiss Secrets» kam zudem ans Licht, wie eng verwickelt die Bank weiterhin ins weltweite Geschäft der Vermögensverschleierung war. Zu den Kunden der Bank sollen auch Mafiosi gehört haben.
Ende vergangenen Jahres stieg die Saudi National Bank als Grossaktionärin bei der CS ein. Ein bittersüsser Moment: Nach Jahren des Kursverlustes standen die Investoren nicht mehr Schlange. Doch mit dem Engagement aus Riad schien auch eine lange, stolze Geschichte der Schweizer Eigenständigkeit verloren gegangen zu sein.
Aus dem Befreiungsschlag wurde denn auch nichts. Wer künftig am Zürcher Paradeplatz nach oben blickt, wird merken: Da prangt nur noch ein Bankenname.
Dieser Artikel wurde erstmals im März 2023 publiziert und aus aktuellem Anlass nochmals aktualisiert.