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Strompreis schiesst hoch Kein Wind, keine Sonne: Deutschland in der Dunkelflaute

Die laue Wetterlage hat Deutschlands erneuerbare Energien erlahmen und die Strompreise explodieren lassen.

Bei unserem nördlichen Nachbarn herrscht «Dunkelflaute». Das Wort setzt sich zusammen aus «Dunkelheit» und «Windflaute» und beschreibt eine energiepolitische Herausforderung, mit der Deutschland zunehmend konfrontiert ist. Laut dem Umweltbundesamt stammen mittlerweile 54 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien. Entsprechend gross ist die Abhängigkeit.

Dunkelflaute sorgt für Preisschock

An Tagen mit wenig Sonne und Wind reicht die Stromproduktion nicht aus, um die Nachfrage zu den üblichen Preisen zu decken. Das zeigte sich exemplarisch am Donnerstag: Die Dunkelflaute brach über Deutschland herein und prompt explodierten die Preise: Der Börsenpreis erreichte einen Rekordwert von 936 Euro pro Megawattstunde.

Wenn die Erneuerbaren lahmen, muss Deutschland Strom aus anderen Ländern importieren, unter anderem aus Schweden und Norwegen. Dort herrscht derzeit Frust: Wegen der Exporte nach Deutschland verknappte sich das Angebot im eigenen Land zusätzlich – und die Strompreise stiegen.

Harsche Kritik an Deutschland

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Der norwegische Energieminister Terje Aasland bezeichnete die Situation wörtlich als «absolut beschissen». Man erwäge, die Exporte nach Deutschland zu überdenken. Auch Schweden reagierte erbost. Energieministerin Ebba Busch kritisierte in der Zeitung «Aftonbladet» Deutschlands Entscheid, aus der Atomenergie auszusteigen. Dieser habe «sehr grosse Konsequenzen» gehabt.

Der Strommangel in Deutschland und in der Nordsee hat die Strompreise in Südnorwegen auf den höchsten Stand seit 2009 gehoben – 20 Mal mehr als in der Vorwoche. Grundsätzlich gebe es zwar nicht zu wenig Strom in Europa, führt SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim aus. «Es ist vor allem ein Problem der Verteilung – und das kann zu krassen Preisdifferenzen führen.»

Hoch im Norden war der Strom günstig

So traf die Windflaute in der Nordsee zwar Südnorwegen, Südschweden, Dänemark und eben Deutschland – dort stiegen die Preise stark an. «Weiter oben im Norden gab es aber mehr als genügend Strom und die Preise waren dort sehr tief», erklärt Heim. Der Haken: Aufgrund fehlender Stromleitungen konnte der überschüssige Strom nicht dorthin gelangen, wo Mangel herrschte.

In den vergangenen Stunden war der Schweizer Strom für Deutschland fast schon überlebenswichtig.
Autor: Matthias Heim Wirtschaftsredaktor von SRF

Deutschland produziert zwar auch Strom aus Gas und Kohle. Die Kraftwerke können die Lücke aber nicht füllen, wenn die Windparks quasi stillstehen – und der Stromhunger im Land in den Feierabendstunden seinen Peak erreicht. Deswegen muss der Strom aus dem Ausland beschafft werden – auch aus der Schweiz.

Schweiz hilft – und profitiert

Tatsächlich lieferte die Schweiz in den vergangenen Tagen in grossem Stil Strom nach Deutschland: «Der Schweizer Strom war für Deutschland fast schon überlebenswichtig», sagt Heim. «Die Schweiz konnte dabei ihrerseits von den hohen Strompreisen profitieren.»

Drei Erkenntnisse aus der Dunkelflaute

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Für SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim zeigen die aktuellen Vorgänge drei Dinge:

  • Situationen, wie wir sie jetzt erlebt haben, wird es künftig noch häufiger geben. Denn in Deutschland und auch anderswo in Europa werden Windparks und Solaranlangen gebaut und Kohlekraftwerke ausser Betrieb gestellt.
  • In Europa hilft man sich gegenseitig aus – auch wenn das seinen Preis hat. Und in dieser europäischen Stromversorgung spielt die Schweiz eine entscheidende Rolle.
  • Speicherkapazitäten sind künftig entscheidend, damit man punktgenau Strom liefern kann. Die Schweiz kann dies mit ihren Pumpspeicherwerken und Stauseen bewerkstelligen. In Deutschland wiederum werden derzeit riesige Batterien installiert, um genau solchen Dunkelflauten wie jetzt zu begegnen.

Allerdings: Wenn die Schweizer Energieversorger Wasser aus den Stauseen ablassen, um Strom für Deutschland zu produzieren, könnte Ende des Winters hier der Strom fehlen. Dies ist abhängig von den Niederschlagsmengen in den kommenden Monaten.

Rendez-vous, 13.12.2024, 12:30 Uhr ; 

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