Fragen stellen, Bedenken äussern, Anliegen vorbringen – dieses wichtige Recht an Generalversammlungen werde den Aktionärinnen und Aktionären der Credit Suisse dieses Jahr vorenthalten, sagt Vincent Kaufmann.
Der Direktor der Stiftung Ethos, der die Aktionärinnen und Aktionäre vertritt, sagt: «Wir fühlen uns in unseren Eingriffsrechten etwas eingeschränkt.»
Wir fragen uns, ob uns noch viele böse Überraschungen bevorstehen. Wir brauchen definitiv mehr Informationen.
Die Credit Suisse (CS) hat im letzten Jahr mit riskanten Geschäften viel Geld verloren. Gerade jetzt werde es für die Aktionärinnen und Aktionäre wichtig, an der Generalversammlung ihre Fragen stellen zu können und mehr Informationen zu erhalten. Ob man zum Beispiel noch mit mehr negativen Überraschungen rechnen müsse, so Vincent Kaufmann.
Schon das letzte Mal gab es keine Fragen
Fragen können der Credit Suisse zwar im Vorfeld schriftlich eingereicht werden, doch auch Karin Landolt erhofft sich nicht viel davon. Sie ist CO-Geschäftsführerin der Aktionärinnen- und Aktionärsvereinigung Actares und wirft ein: «Wir befürchten, dass es so sein wird wie das letzte Jahr, dass nämlich weder Fragen von uns aufgenommen werden, noch in irgendeiner Form diskutiert wird.»
Wir befürchten, dass es so sein wird wie das letzte Jahr, dass nämlich weder Fragen von uns aufgenommen werden, noch in irgendeiner Form diskutiert wird.
Immerhin habe die Credit Suisse letztes Jahr in einem Brief auf die Fragen von Actares reagiert, sagt Karin Landolt: «Uns wäre es jedoch wichtig gewesen, dass wir im öffentlichen Raum diese Fragen diskutiert hätten und eine direkte Antwort von den Konzernspitzen bekommen hätten.»
Lässt die Credit Suisse heute doch Fragen zu?
Auch an der heutigen Generalversammlung ist offen, ob die Credit Suisse die Fragen von Aktionärinnen und Aktionären aufgreifen wird. Denn während der Generalversammlung können keine Fragen gestellt werden.
Die teuren Misstritte der Schweizer Grossbanken
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Bild 1 von 11. 1998: US-Hedgefonds LTCM verspekuliert sich. Der US-Hedgefonds Long Term Capital Management (LTCM) finanziert seine Geschäfte mit viel Fremdkapital und verspekuliert sich spektakulär. Allein die UBS erleidet einen Verlust von rund einer Milliarde Franken. UBS-Verwaltungsratspräsident Mathis Cabiallavetta tritt zurück. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 11. 2007: UBS scheitert mit eigenem Hedgefonds. Die UBS erleidet mit ihrem hauseigenen Hedgefonds Dillon Read Capital Management (DRCM) Schiffbruch. Im Kern geht es um verlustreiche Spekulationen mit minderwertigen amerikanischen Immobilienkrediten. UBS-Chef Peter Wuffli tritt zurück. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 11. 2008: Finanzkrise. Der US-Immobilienmarkt wankt, vermeintlich erstklassige US-Hypothekar-Papiere entpuppen sich als Ramsch. Die UBS fährt allein 2008 einen Verlust von 20 Milliarden Franken ein. Am 16. Oktober 2008 wird die Bank vom Staat mit über 60 Milliarden Franken gerettet. Der langjährige VR-Präsident Marcel Ospel muss im Frühling 2008 gehen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 11. 2009: US-Steuerstreit I. Bundesrat Hans-Rudolf Merz warnt die Amerikaner: «An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch noch die Zähne ausbeissen!». Ein Jahr später zahlt die UBS dann doch 780 Mllionen US-Dollar Strafe und händigt den amerikanischen Behörden Kundendaten aus. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 11. 2011: Milliardenverlust für UBS wegen Kweku Adoboli. Der Investmentbanker Kweku Adoboli verzockt sich in London mit nicht autorisierten Handelsgeschäften und brockt der UBS einen Verlust von 2.3 Milliarden US-Dollar ein. UBS-Chef Oswald Grübel tritt zurück. Die Aufsichtsbehörde Finma stellt schwerwiegende Mängel im Risikomanagement der Bank fest. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 11. 2012: Manipulation des Referenzzinssatzes Libor. Internationale Grossbanken haben jahrelang den Referenzzinssatz Libor manipuliert. Die UBS ist Whistleblowerin, trotzdem muss sie 1.4 Milliarden Franken an amerikanische, britische und schweizerische Behörden bezahlen. Zentrale Figur im weltweiten Libor-Skandal ist der Händler Tom Hayes: Er wird 2015 zu 14 Jahren Haft verurteilt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 11. 2014: US-Steuerstreit II. Die Credit Suisse bezahlt im US-Steuerstreit 2.8 Milliarden US-Dollar und unterschreibt ein Schuldeingeständnis. Dennoch betont VR-Präsident Urs Rohner im Interview mit Radio SRF am Tag nach der Einigung, er persönlich habe in der ganzen Geschichte eine «weisse Weste». Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 11. 2016: Strafzahlung der Credit Suisse. Die Credit Suisse muss in den USA insgesamt 5.3 Milliarden US-Dollar bezahlen: Knapp die Hälfte ist eine Strafzahlung, mit dem Rest muss die Bank Geschädigte der US-Hypothekenkrise entschädigen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 11. 2018: US-Steuerstreit III. Schweizer Banken zahlen insgesamt rund sechs Milliarden US-Dollar an die USA, um den Steuerstreit ad acta zu legen, wie die «Handelszeitung» errechnet hat. Grosse Beträge haben neben UBS und Credit Suisse auch Julius Bär (550 Millionen US-Dollar) oder die ZKB (100 Millionen US-Dollar) bezahlt. Bildquelle: Keystone.
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Bild 10 von 11. März 2021: Greensill-Pleite. Der Lieferketten-Finanzierer Greensill gerät ins Strudeln. Daraufhin sistiert u.a. die Credit Suisse den Handel mit Greensill-Fonds im Wert von zehn Milliarden US-Dollar. Die CS versucht daraufhin, so viel Geld wie möglich aus den Fonds zurückzubekommen – Verluste müsste vor allem die Kundschaft tragen, denen die CS Fonds-Anteile verkauft hat. Bildquelle: Keystone.
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Bild 11 von 11. April 2021: CS verbucht Milliarden-Verlust. Der US-Hedgefonds Archegos hat sich mit Geld von Banken verspekuliert. Die Credit Suisse erwischt es am härtesten: Sie verbucht einen Verlust von fünf Milliarden US-Dollar. Die Finanzmarktaufsicht Finma untersucht, ob das Risikomanagement mangelhaft war. Dieser Vorfall überschattet den Abgang von CS-Präsident Urs Rohner. Bildquelle: Keystone.
Die Credit Suisse schreibt dazu auf Anfrage, dass der Dialog mit den Aktienbesitzern und -besitzerinnen sei der Bank wichtig. Doch es sei technisch nicht umsetzbar, die vielen Aktionäre und Aktionärinnen zu Wort kommen zu lassen.
Internationale Unternehmen haben allerdings eine Lösung gefunden und das den Aktienbesitzerinnen und -besitzern ermöglicht, während der Generalversammlung Fragen zu stellen. Deshalb bleibt der Eindruck, dass der CS-Führungsspitze ein Livestream ohne Mitwirken des Publikums nicht ungelegen kommt.