Olympiasiegerin, Weltmeisterin und Gesamtweltcupsiegerin. Mathilde Gremaud hat mit 24 Jahren alles gewonnen, was man als Freeskierin gewinnen kann. Doch Erfolge schützen vor Schwermut nicht. «Ich stelle es mir immer so vor, dass es kleine Batterien in meinem Körper oder meinem Gehirn gibt, die alle voll sind mit positiver Energie. Aber auch diese Batterien verfügen nun mal nicht über unendlich Energie.»
Immer wieder spürt Gremaud Leere. Eine dunkle Leere. So auch am Ende der vergangenen Saison, die als Disziplinensiegerin im Slopestyle und Big Air sowie dem Gewinn des Gesamtweltcups einmal mehr imposant war. «Im April habe ich wirklich schwierige Wochen erlebt, habe fast nichts mehr unternommen, wollte das Haus kaum mehr verlassen. Ich hatte einfach keine Motivation mehr. Ich hatte gar ein wenig Angst, um nach draussen zu gehen», erzählt Gremaud.
Es ist ein Tag im Spätsommer, an dem Gremaud im Garten ihres Elternhauses ausführlich erzählt, wie sie immer wieder mit mentaler Erschöpfung zu kämpfen hat. Im SRF-Format «Kehrseite – Abseits des Erfolgs» erklärt sie, weshalb sie diese Einblicke über ihre mentale Gesundheit gewährt: «Es ist ein Thema, das im Alltag präsent ist. Und ich sage immer: Wenn es im Kopf stimmt, dann kann man als Mensch weit kommen.»
Der Rücktritt war nie Thema
Das, was Gremaud die letzten Jahre erlebt hat, lässt sich gar nicht so einfach beschreiben. Gremaud spricht von kleinen depressiven Episoden, einem Mini-Burnout, tut sich schwer mit einer Kategorisierung. Von Belang sei eine konkrete Einordnung oder ärztliche Diagnose auch nicht: «Ich brauche nichts, um mich festzuhalten, wenn ich mich nicht gut fühle.» Ihre mentale Gesundheit beschäftigte sie erstmals nach den ersten Olympischen Spielen 2018, als sie in Pyeongchang Silber im Slopestyle holte. «Je näher ich meinen Zielen gekommen bin, desto schwieriger wurde es», sagt Gremaud.
Trotz der wiederkehrenden Schwierigkeiten war der Rücktritt nie ein Thema. «Aber ich habe sicher auch mal darüber nachgedacht, ob ich vielleicht ein Jahr lang einfach ein bisschen chillen oder keine Wettkämpfe fahren soll.» Fakt ist, Gremaud hat es in ihrer Karriere bislang immer wieder geschafft, die Dunkelheit zu verdrängen. Wie hat sie einen Umgang mit mentaler Erschöpfung gefunden? «Es ist ein Prozess. Darüber reden hilft, sich und seinen Gedanken auch Zeit für Reflexion zu geben ebenso.» Zudem nimmt Gremaud seit diesem Frühling professionelle Hilfe in Anspruch. Mut habe sie dafür nicht benötigt. «Ich habe das gemacht, was für mich das Beste ist.»