Sie sind über Monate und Jahre im Scheinwerferlicht. Ihre Meinung ist gefragt. Ihr Handeln wird analysiert. Und dann kommt sie: die Entlassung. Früher oder später ist sie das Schicksal jedes Fussballtrainers. Über den Moment der Entlassung und die Zeit danach sprechen die Protagonisten kaum. Für das neue SRF-Format «Kehrseite – Abseits des Erfolgs» macht Marco Schällibaum eine Ausnahme. An einem Frühlingstag, noch bevor er bei GC ein neues Arbeitspapier unterschreibt, spricht der Trainer ausführlich über Entlassungen und ihre Folgen.
Er, der seit 1994 als Trainer tätig ist, kann sich noch gut an die erste Freistellung seiner Karriere erinnern. Sie ereignete sich 2004 in Genf. «Ich war zuhause, erhielt den Anruf um 8:30 Uhr und da sagte mir der damalige Präsident, dass sich unsere Wege trennen würden. Diesen Moment trage ich auch 20 Jahre später noch in mir. Sowohl bildlich als auch gefühlsmässig.» Es sind die Schattenseiten eines Berufs, den Schällibaum als «unglaublich schön» bezeichnet. Auch der vielen positiven Emotionen wegen.
Gewohnheit ist nicht gut, vor allem wenn es um solch Negatives geht.
Auf die Frage, ob man sich an das Gefühl der Entlassung gewöhne, sagt er: «Nein. Gewohnheit ist nicht gut, vor allem wenn es um solch Negatives geht.» Eine drohende Entlassung sei aber immer in einem gewissen Sinn im Hinterkopf, deshalb arbeite er jeden Tag sehr hart, um möglichst nie in solche Situationen zu geraten.
Überraschendes Ende in Yverdon
Trotz seines Arbeitsethos ist Schällibaum nicht immer um eine Entlassung herumgekommen. Welche schmerzte ihn am meisten? «Jede Entlassung tut weh. Wenn man sich trennt, ist das immer mit Schmerzen verbunden. Aber eine, die sicher sehr wehgetan hat, war jene in Yverdon.» Zwischen Sommer 2022 und Herbst 2023 war Schällibaum Trainer in der Waadt, wo er «unglaubliche Momente» erlebte. «Mit vielen Siegen, aber auch mit dieser Explosion mit dem Aufstieg.»
Im Anschluss an diesen entschied sich der Verein für einen Umbruch, der letztlich auch in der Entlassung Schällibaums mündete. Diese schmerzte ihn auch deshalb so sehr, weil er ein sehr familiäres Umfeld verlor. Er spricht von 45 bis 50 Beziehungen, die vom einen Tag auf den anderen nicht mehr weitergepflegt werden können.
Entlassungen sind einschneidend. Von der Öffentlichkeit in die Einsamkeit. Ihn als emotionalen Menschen fordern diese Momente sehr. Auch, weil man sich in diesen Augenblicken zuweilen hilflos fühlt. «Man braucht Leute um sich herum: Familie und Freunde, die dir beistehen. Denn in solchen Situationen benötigt man Hilfe.» Kurz nach einer Entlassung spüre er jeweils eine Form von Entzugserscheinungen. «Und wenn jemand auf Entzug ist, lebt man nicht zu 100 Prozent.»
Ein Freund als grosse Stütze
Schällibaum ist ein Stehaufmännchen. «Ich kann nicht den ganzen Tag heulen», sagt er. Nach einem Jobverlust frage er sich rasch wieder, was er machen oder verändern könne, damit er wieder eine Arbeit findet. Und wenn sich eine schnelle Lösung nicht ergibt, sucht Schällibaum auch mal ein Arbeitsvermittlungszentrum auf. Kein einfacher Gang sei das. «Am Ende des Tages habe auch ich eine Berechtigung auf dieses Angebot. Aber wenn du in der Öffentlichkeit bist, ist das ein Weg, der sehr, sehr weh tut.»
Eine grosse Stütze in Marco Schällibaums Privatleben ist sein langjähriger Freund Beat Luginbühl. Endet ein Arbeitsengagement, sucht Schällibaum nicht selten den ausführlichen Austausch mit ihm. «Solche Gespräche sind extrem wichtig. Gespräche, in denen du deinen Gefühlen freien Lauf lassen kannst.»
Man muss bereit sein, etwas Neues zu lernen, damit man wieder nach vorne kommt. Und: Bleibe dir treu. Wenn du dich als Person verlierst, kommst du nicht zurück.
Luginbühl hört in solchen Gesprächen allerdings nicht nur zu. Neben Ratschlägen formuliert er auch mal unangenehme Dinge, versucht sich in die jeweilige Klubführung zu versetzen und spricht es auch aus, wenn er deren Entscheid in gewissen Punkten nachvollziehen kann. Schällibaum hat gelernt, diese zuweilen harten Gespräche zu suchen und zu schätzen. «Ich finde sie immer sehr spannend. Und vor allem helfen sie mir.»
Zudem formuliert Schällibaum zwei Leitsätze für komplizierte Zeiten: «Man muss bereit sein, etwas Neues zu lernen, damit man wieder nach vorne kommt. Und: Bleibe dir treu. Wenn du dich als Person verlierst, kommst du nicht zurück.»