«Mir sind Dinge passiert, die nicht so lustig sind», sagt Timm Klose zu Beginn dieses Gesprächs an einem Frühlingstag in Basel. Ein Satz, der einer Untertreibung gleichkommt, wenn man hört, was der Fussballer im Anschluss berichtet. Mit Hass im Netz war der frühere Nationalspieler konfrontiert. So viel Hass, dass dieser sein Denken und Handeln prägte. Im neuen SRF-Format «Kehrseite – Abseits des Erfolgs» berichtet Klose, was für Nachrichten er erhielt und wie er gelernt hat, damit umzugehen.
Negativspirale begann in Nürnberg
Klose ist im Laufe seiner Karriere durch Europa gestreift, spielte in der deutschen Bundesliga und in der englischen Premier League. Hass hat er immer wieder gespürt. Auf dem Feld. Und eben auch im Netz. Zum ersten Mal in Nürnberg, wo er zwischen Sommer 2011 und 2013 sein erstes Engagement im Ausland erlebte.
Auf eine spielerische Schwächephase folgte ein Schwall negativer Feedbacks. «Das führte bei mir zu mentalen Problemen, welche sich dann auch auf die Leistung ausgewirkt haben.» Der Beginn einer Negativspirale. «Die eigenen Fans haben mich bei jedem Ball-Kontakt ausgepfiffen. Ich erhielt Morddrohungen, Hassnachrichten, man wünschte mir den Tod. Das sind alles Dinge, die ich so nicht gekannt habe.»
Abschotten zum eigenen Schutz
Der Hass hat Klose verändert: «Das hat mich schon bewegt. Man zieht sich auch ein bisschen zurück; telefoniert weniger mit den Leuten, die einem wichtig sind, weil man sie nicht belasten will. Man schottet sich ab und wechselt in eine Art Robotermodus: Ich gehe trainieren, dann nach Hause und versuche mich so wenig wie möglich in der Öffentlichkeit zu zeigen.» Plötzlich kamen Gedanken auf, ob er überhaupt noch spielen wolle. Klose skizziert Szenarien in seinem Kopf, in denen die Fans ihm etwas antun. Der Hass: omnipräsent.
Damals, so Klose, sei er aufgrund der Situation gereizt gewesen. Eine Gereiztheit, die Ausdruck von Überforderung war. «Ich habe wirklich nicht gewusst, was ich machen soll. Erst dank der Zusammenarbeit mit meinem Mentalcoach, die mich gelehrt hat, mich gegenüber meiner Frau und meiner Familie zu öffnen, habe ich bemerkt, dass Schwächen nicht unbedingt etwas Schlechtes sein müssen.»
Es sind mehr Leute hier, um dir zu helfen, als man manchmal denkt.
Klose weiss mittlerweile, dass es sich lohnt, Schwächen oder Probleme anzusprechen. Es verbindet, führt zu Verständnis. «Es ist interessant, wie viele Leute dann die Hand hochheben und sagen, dass sie diese Situation kennen oder helfen wollen. Es sind mehr Leute hier, um dir zu helfen, als man manchmal denkt.»
Eine wichtige Bezugsperson, die Klose in dieser komplizierten Zeit ebenfalls unterstützt hat, ist seine Mutter Daniela Spillmann. Sie weiss noch genau, wie sich das anfühlte, als ihr Sohn mit diesen Nachrichten eingedeckt wurde. «Es führte zu einer Angst, die man selbst nicht lösen konnte. Wir haben oft Gespräche geführt, in denen wir über seine Karriere gesprochen haben. Ich habe zu Timm immer gesagt, dass diese Karriere etwas Tolles sei – ich gratuliere ihm zu dem, was er erreicht hat. Aber auf der anderen Seite bringt diese auch ganz viel Unangenehmes und Beängstigendes mit sich.»
Offen und ehrlich reden hilft
In Kloses Augen hilft im Kampf gegen ebendieses Unangenehme und Beängstigende vor allem eines: reden. Offen und ehrlich. Dadurch hat er mittlerweile auch eine gewisse Gelassenheit im Umgang mit dem Thema entwickelt. Wie sehr bewegen ihn solche Nachrichten noch, wenn sie seinen Posteingang erreichen? «Es gibt schon ab und zu noch Dinge, die ich nicht ganz verstehe. Beispielsweise hat mir jüngst einer geschrieben, als ich als Experte im Fernsehen sass. Diese Person liess mich wissen, dass ich keine Ahnung vom Fussball habe. Diese Leute glauben immer, dass ich gegen eine bestimmte Mannschaft sei.»
Wenn ich etwas mitgeben wollte, dann die Botschaft: Hab keine Angst, dich zu öffnen.
Die Anekdote löst bei Klose Emotionen aus. Von seiner Mutter darauf angesprochen, sagt Klose: «Ich habe auch gelernt, dass es nicht so schlecht ist, wenn etwas eine Emotion auslöst. Weil man dann auch rasch reflektiert, was man gesagt hat.» Klose ist mittlerweile an einem Punkt, an dem er aus einem negativen Erlebnis auch etwas Positives ziehen kann.
Nach seinen Erlebnissen könnte Klose nun allgemeine Handlungsanweisungen formulieren, wie jemand einen Umgang mit Hass im Netz finden kann. Aber er tut das nicht. «Weil jede Person noch einmal anders mit solchen Dingen umgeht. Ich könnte nun sagen, dass man solche Nachrichten nicht zu nahe an sich heranlassen, ignorieren oder nicht lesen soll. Aber ich müsste erst einmal mit dieser Person reden. Wenn ich etwas mitgeben wollte, dann die Botschaft: Hab keine Angst, dich zu öffnen.»