Emotional, anregend oder hoffnungsvoll: Diese Sachbücher standen 2024 auf der Favoritenliste unserer Redaktorinnen und Redaktoren.
Das Emotionalste
«Explosive Moderne» von Eva Illouz: Die Welt ist im Krisenmodus. Was hilft? Der Blick auf die Gefühle dahinter. Auf dieser Annäherung zumindest basiert das neue Buch der französisch-israelischen Soziologin Eva Illouz. In «Explosive Moderne» folgt man der berühmten Wissenschaftlerin, wie sie Hoffnung, Wut und Enttäuschung der Menschen als Folge politischer und wirtschaftlicher Veränderungen herausarbeitet.
Und das schmerzt: Wir erfahren, dass es tiefsitzende Strukturen wie Rassismus und soziale Ungleichheit sind, die uns zu fühlen geben. Wie so oft wird man in ihren Büchern nicht nur mit einem theoretischen Überblick versorgt, sondern auch mit einem Streifzug durch Literatur und Netflix-Serien unterhalten. All dies trägt dazu bei, globale Konflikte besser zu verstehen. (Hannah Krug)
Das Reichhaltigste
«Hoffnung. Eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel» von Jonas Grethlein: Hoffnung bedeutet, ins Gelingen verliebt zu sein. Diese schöne Formulierung geht, leicht abgewandelt, auf Ernst Bloch zurück. Dieser plädierte dafür, Hoffnung als politische Gestaltungsmöglichkeit und nicht als naiven Fortschrittsglauben zu verstehen.
Der Altphilologe Jonas Grethlein legt in seinem neuen Buch ein Panoptikum über die jahrtausendealte Geschichte der Zuversicht vor. Er zeigt, warum die Hoffnung nicht immer als Kraft- und Trostquelle angesehen worden ist, sondern auch als Realitätsflucht oder politischer «Tranquilizer» gegeisselt wurde.
Grethlein liefert wertvolle Quellen, ohne ins trockene Dozieren abzugleiten. Ein Buch, das nicht zuletzt Hoffnung macht, dass auch Abhandlungen aus dem «Elfenbeinturm» ein purer Lesegenuss sein können. (Barbara Bleisch)
Das Anregendste
«After Woke» von Jens Balzer: Das grausame Massaker der Terrorgruppe Hamas am 7. Oktober 2023 hat nicht nur für Entsetzen, sondern auch für viele Fragezeichen gesorgt. Anhänger einer globalen Linken haben sich danach einseitig mit dem palästinensischen Volk solidarisiert, das seitdem massiv unter einem israelischen Gegenangriff leidet. Eine Folge davon ist linker Antisemitismus. Autor Jens Balzer, der sich selbst in einem woken Umfeld verortet, sucht in seinem Essay «After Woke» nach Gründen dafür.
Ruhig und analytisch beschreibt er, was Wokeness überhaupt ausmacht und wie bestimmte Strömungen des Postkolonialismus ein gefährliches Freund-Feind-Denken schüren. «After Woke» ist ein Plädoyer für offenere Debatten. Es wirkt heilend für alle, die sich weiterhin freiheitlichen Werte verschrieben haben. (Hannah Krug)
Das Erfolgreichste
«Altern» von Elke Heidenreich: Schmerzen, Einsamkeit, Abhängigkeit – Älterwerden kann hart sein. Aber das Alter schenkt auch Dankbarkeit und Zufriedenheit, meint Literaturkritikerin Elke Heidenreich in ihrem Bestseller «Altern». Es ist ein Loblied aufs Älterwerden, persönlich und süffig geschrieben, voller Trotz und Schalk, aber auch mit Zartheit und Melancholie.
Die «Literaturpäpstin» Elke Heidenreich hatte ein bewegtes Leben. Als Kind wurde sie von ihrer Mutter geschlagen und vernachlässigt. Hinzu kam eine schwere Lungenkrankheit. Später überlebte sie eine Krebserkrankung und zwei Scheidungen. Heute schaut sie mit 81 Jahren auf ihr Leben zurück und empfindet vor allem eines: Dankbarkeit. (Yves Bossart)