«Das Berühren der Figuren mit den Pfoten ist verboten.» So altertümlich das klingt: Es gilt. Doch in anderen Bereichen verändern sich die Museen gerade massiv. Neue Kontexte müssen erarbeitet, kritische Fragen zur eigenen Geschichte beantwortet werden.
Museen haben blinde Flecke
Die Beispiele dafür sind zahlreich, es geht um Restitutionen aus ethnologischen Sammlungen oder die Rückgaben von Bildern, die einst jüdischen Vorbesitzern gehörten. Kulturinstitutionen müssen sich überlegen, wo ihre blinden Flecke liegen, was sie nicht zeigen, wen sie ausschliessen und wessen Geschichte sie erzählen.
«We are here to listen and to learn», sagte Ann Demeester, Direktorin des Kunsthauses Zürich , bei der Eröffnung der internationalen Fachtagung «Sensibel, problematisch, umstritten? Herausforderungen und Chancen im Umgang mit kulturellem Erbe in Museen» .
Ausgerichtet wird sie neben dem Kunsthaus vom Museum Rietberg und dem Landesmuseum. Fachleute aus Kolumbien, Namibia, Zürich, Berlin oder Amsterdam treffen sich zur Debatte: Welche Aufgaben übernehmen Museen in der De-Kolonisierung? Wie sieht ein verantwortungsvoller Umgang mit Sammlungen aus, die von Gewaltkontexten geprägt sind?
Zwei Kuratorinnen berichten, wie sie mit der Sammlung des einstigen Kolonialmuseums in Rom umgehen. Das Haus wurde in den 1920er-Jahren von Mussolini als propagandistische Massnahme für den Kolonialismus gegründet. Heute widmet es sich der kritischen Aufarbeitung.
Eine bewährte Strategie dieser und anderer Museumsleute sind Aufarbeitungen mittels Einladung an zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler, sich mit der Geschichte der Sammlung oder problematischer Objekte auseinandersetzen. Oder man lädt Communities aus der Diaspora zur Mitwirkung ein, die als Betroffene zuvor meist kaum Zugang zum Museum fanden.
Neue Rahmen
Zentral ist der Begriff «Reframing»: Dabei versuchen Museen diverse Perspektiven zu integrieren und neue Bezugsrahmen fürs Sehen und Verstehen herzustellen. Das klingt abstrakt, ist aber manchmal ganz einfach.
Eine Kuratorin berichtet über eine Ausstellung sogenannter «First Nations Art», der Kunst aus indigenen Communities in Australien und Neuseeland. Indem die bemalten Holzpaneele, Skulpturen und geflochtenen Objekte aus dem Keller einer ethnografischen Sammlung befreit wurden, konnten sie überhaupt erst entdeckt werden. Entscheidend dabei war, dass sie als Kunst ausgestellt wurden.
Wer profitiert?
Zwei Kuratorinnen der Kunsthalle Bremen berichten von der Schwierigkeit, die «Projektlogik» hinter sich zu lassen. Kritische Kontexte und bisher ausgeschlossene Besuchergruppen sollen nicht nur im Rahmen von ein- oder zweijährigen Projekten in die Institution kommen, sondern fest verankert werden. Da geht es vordergründig um Organisation und Finanzierung, tatsächlich aber um die Wurst.
Eine Fachtagung als kritische Nabelschau, das klingt vielversprechend. Zuhören und voneinander lernen auch. Einige Fragen stellen sich aber trotzdem: Wem nützt das Ganze? Wer profitiert hauptsächlich von dieser Auseinandersetzung der Museen mit ihrer eigenen Verantwortung?
Sind es die Opfer und Geschädigten oder sind es die Museen, die nachweisen können, wie sehr sie sich bemühen? Die Antworten sind vermutlich genauso komplex wie die Herkunftsgeschichten der Objekte, um die es geht.