Der Düngemittel-Konzern Eurochem gilt als so wichtig für die Welternährung, dass der Konzern weltweit von den Sanktionen gegen Russland ausgenommen ist. «Trotzdem wird die Firma quasi wie eine sanktionierte Firma behandelt», klagt der Schweizer CEO von Eurochem, Samir Brikho, im Interview mit der Rundschau.
Sämtliche Schweizer Banken hätten Eurochem die Konten gekündigt. Das Trading wurde deshalb nach Dubai verlegt. Beim Besuch der Rundschau in Zug sind die Büros am Hauptsitz menschenleer. Nur gerade der CEO und zwei Assistentinnen sind im Hauptquartier des Konzerns anzutreffen. Trotzdem versichert Brikho: «Von der Schweiz aus wird der Konzern geführt.»
Wegen «Schikanen» sei die Produktion zu Kriegsbeginn um 20 Prozent eingebrochen, erzählt Brikho. Die Fabrik in Litauen habe Eurochem wegen des politischen Drucks schliessen müssen. Eurochem – auch ohne Sanktionen – ein Opfer des Krieges?
Opfer oder Profiteur?
Für Robert Bachmann, Rohstoff-Analyst der Nichtregierungsorganisation PublicEye, ist Eurochem nicht Opfer, sondern Profiteur des Kriegs. Mit Kriegsbeginn seien die Düngerpreise regelrecht durch die Decke gegangen. Bachmann geht davon aus, dass Eurochem unter dem Strich deshalb trotz gedrosselter Produktion Rekordgewinne schreiben konnte.
Dazu befragt, dementiert Samir Brikho. «Wir haben keinen Mehrgewinn erzielt, weil wir Volumen verloren haben.» Auf Nachfrage, verspricht uns der CEO und Verwaltungsratspräsident, dass wir die Geschäftszahlen einsehen könnten. Doch als wir das Versprechen einlösen wollen, verweigert Eurochem die Herausgabe hartnäckig.
Sanktionen verhindert
Eurochem gehört zu den weltweit grössten Düngemittel-Produzenten. Die Firma wurde vom russischen Oligarchen Andrej Melnitschenko gegründet. Bei Kriegsausbruch hat er sich zurückgezogen und so seine Frau als wirtschaftlich Berechtigte eingesetzt.
Als auch sie sanktioniert wird, wurde ein sogenanntes «ring fencing» installiert. Damit soll rechtlich sichergestellt werden, dass von Eurochem kein Geld an sanktionierte Personen fliesst. Auch darum ist die Firma bis heute in der Schweiz nicht sanktioniert.
Das sorgt für Kritik in der Politik. Die grüne Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt kritisiert das Schweizer Vorgehen: «Ich habe Angst, dass das einen Bumerang gibt, dass uns das irgendwann um die Ohren fliegt und ich verstehe nicht, wieso Zug und die Schweiz dieses Risiko eingehen.» Zumal Eurochem in der Schweiz kaum noch präsent sei und der Schweizer Finanzplatz Eurochem wegen des Risikos meide.
Der Aussenpolitiker Franz Grüter (SVP, LU) ist anderer Meinung. Er kritisiert die Sanktionen grundsätzlich. Andrej Melnitschenko könne sich in der Schweiz nicht einmal durch Anwälte beraten lassen: «Ich glaube, wir müssen uns schon fragen, ob das noch rechtsstaatlich ist, was da zurzeit abgeht.»
Das «ring fencing» als massgeschneiderte Lösung sei einzig für Eurochem gültig, hat der Bundesrat letztes Jahr auf eine parlamentarische Anfrage festgehalten. Anfang dieses Jahr überprüfte das Seco erstmals die Wirksamkeit durch ein unabhängiges Audit, wie Eurochem auf Anfrage mitteilt.
Über das konkrete Resultat des Audits gibt das Seco auf Anfrage keine Auskunft.