Verschwinden wirklich immer mehr Tierarten von den Feldern und Wiesen? «Ich stelle das Gegenteil fest», sagt Bauernverbandspräsident Markus Ritter. Er kämpft an vorderster Front gegen die Biodiversitätsinitiative.
«Wir haben heute viel mehr Tiere, die wir wieder beobachten können, ich denke etwa an die vielen Rotmilane oder an die Störche, die wieder zurückgekommen sind.» Der Bauernverband hat ein umstrittenes Gutachten in Auftrag gegeben, das diese Position stützt (siehe Linkbox am Ende).
Es kommt darauf an, welche Tierarten man betrachtet
Es gibt verschiedene positive Entwicklungen. Tierarten zum Beispiel, die früher bejagt wurden, haben sich im Bestand wieder erholt: Verschiedene Greifvögel-Arten wie Rotmilane fallen darunter, aber auch Reiher, Kormorane oder Biber.
Der Wald wurde artenreicher und die Förster haben gezielt mehr Totholz stehen lassen. Davon haben viele Insektenarten und Spechte profitiert. Und im Landwirtschaftsgebiet schliesslich haben sich die Biodiversitätsförderflächen, welche die Bäuerinnen und Bauern gegen Entgelt anlegen, nachweislich positiv ausgewirkt – zumindest da, wo diese Flächen am richtigen Ort und von der richtigen Qualität sind.
Es gibt aber auch zahlreiche gegenteilige Entwicklungen: So hat etwa die Zahl der Feldlerchen und Feldhasen in der Schweiz in den vergangenen drei Jahrzehnten weiter abgenommen.
Die überarbeitete Rote Liste der Wildbienen zeigt, dass es insgesamt weiter bergab geht. Und selbst streng geschützte Lebensräume, wie die Moore, werden weiterhin stark geschädigt durch Stickstoffeinträge über die Luft.
Grösste Verluste liegen schon weiter zurück
Gut vergleichbare Zahlen zu den Bestandsentwicklungen von Tier- und Pflanzenarten liegen zudem meist nur für die letzten 20, 30 Jahre vor. Die grössten Einbrüche in der Tier- und Pflanzenwelt aber geschahen in der Zeit davor.
So hat sich zum Beispiel das Landwirtschaftsgebiet vor allem in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Mechanisierung und der Zusammenlegung der kleineren Parzellen massiv verändert. Die Zahl der Trockenwiesen ist um 95 Prozent geschrumpft und damit auch der Lebensraum für zahlreiche Insekten und Vögel, die auf diesen Parzellen lebten.
Noch früher verschwanden die Moore und Auen. Ihre Zahl ist mit den Gewässerkorrekturen seit Mitte des 19. Jahrhunderts um 90 Prozent geschrumpft. Wenn einzelne Flussabschnitte jetzt revitalisiert werden, ist das für die Biodiversität eine erfreuliche Entwicklung. Aber diese positive Tendenz startet auf historisch tiefem Niveau.
Wissenschaft ist sich einig: Es bleibt viel zu tun
Um eine Trendwende zu schaffen, brauche es zusätzliche, qualitativ hochstehende Flächen für die Tiere und Pflanzen. In diesem Punkt sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einig.
Solche Flächen – also zum Beispiel Hecken, naturnahe Bachläufe, Biodiversitätsflächen auf Äckern oder naturnahe Flächen in Städten und Dörfern – müssten zudem besser vernetzt werden, damit ein Austausch zwischen den verbliebenen Tier- und Pflanzenbeständen stattfinden kann.