- In der zweiten SRG-Umfrage muss die Biodiversitäts-Initiative deutlich Federn lassen.
- 51 Prozent der Befragten lehnen die Volksinitiative zurzeit ab, nur noch 46 Prozent sind dafür.
- Eine Trendumkehr bis zur Abstimmung am 22. September ist unwahrscheinlich.
- Auch die zweite Abstimmungsvorlage, die Reform der beruflichen Vorsorge, hat an Zustimmung eingebüsst.
Die Biodiversitäts-Initiative war von Anfang an ein zartes Pflänzchen. Nun droht es an der Urne zu verwelken: Aus dem labilen Ja der ersten SRG-Umfrage ist innert weniger Wochen ein stabiles Nein geworden.
Keine Indizien für Trendwende
In Zahlen: Vor rund einem Monat wollten noch 51 Prozent ein Ja in Urne legen – jetzt sind es nur noch 46 Prozent. Gleichzeitig ist der Nein-Anteil unter den Befragten von 43 auf 51 Prozent gestiegen. Einmal mehr bewahrheitet sich ein direktdemokratisches «Naturgesetz»: Je näher die Abstimmung rückt, umso mehr verlieren Volksinitiativen an Zuspruch.
Hinweise für eine Trendwende gibt es kaum. Volksinitiativen haben oft dann Erfolg, wenn sie von einem «Jetzt muss endlich etwas passieren!» getragen werden. Ein solcher Effekt lässt sich bei der Biodiversitäts-Initiative aber nicht feststellen.
«Wenn die Zustimmung so deutlich zurückgeht, ist es fast nicht mehr möglich, den Trend bis zur Abstimmung noch umzukehren», sagt Lukas Golder vom Forschungsinstitut GFS Bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG SSR durchgeführt hat.
Die Saat des Zweifels
Die Positionen der Wählerschaften haben sich im Verlauf des Abstimmungskampfs zusehends denjenigen der bürgerlichen Parteien und des Bundesrats angeglichen, die die Initiative ablehnen. Einzig im linksgrünen Lager hat das Umweltanliegen weiter starken Rückhalt.
Die Befragungen zeigen zwar, dass sich viele Menschen um den Erhalt der Natur und der Landschaftsbilder sorgen. Aber: «Es gibt Zweifel, ob das Thema derzeit wirklich so relevant ist», sagt Golder.
Verbreitet herrscht auch das Gefühl vor, dass Bund und Kantone schon heute genug für den Erhalt der Biodiversität machen. «All das relativiert das Anliegen und seine Schwächen treten in den Vordergrund.»
Produktive Landwirtschaft vs. intakter Erholungsraum
Gerade auf dem Land sorgt man sich zudem, dass allzu rigide Auflagen die Landwirtschaft schwächen könnten. Die Argumente des mächtigen Bauernverbands stossen hier einmal mehr auf fruchtbaren Boden. Demgegenüber steht die «etwas nostalgisch gefärbte Sicht» in urbanen Gebieten, wie sie Golder nennt: «Hier wünscht man sich die Natur als Erholungsraum mit einer intakten Biodiversität.»
Wenig überraschend klafft ein Stadt-Land-Graben zwischen Gegnern und Befürwortern. Insbesondere in ländlich geprägten Deutschschweizer Kantonen dürfte es das Volksbegehren schwer haben. «Das Ständemehr zu erreichen, wird eine sehr hohe Hürde für die Initiative», schätzt der Politologe von GFS Bern.
Das Anliegen an sich geniesst zwar Sympathien in der Bevölkerung. Der Leidensdruck ist aber bei vielen Menschen zu gering, um an der Urne Taten einzufordern. Golder attestiert der Biodiversitäts-Initiative denn auch mangelnde «Mitreisskraft», wie sie Umweltverbände und linksgrüne Parteien etwa beim Klimaschutz entfalten.
In so einer Stimmungslage sei es kaum möglich, eine Volksinitiative erfolgreich ins Ziel zu bringen. Das Fazit des Politologen: «Es bräuchte bis zur Abstimmung ein Wendereignis, das den Leuten klarmacht, dass jetzt etwas geschehen muss. Damit rechne ich aber nicht – das Nein dürfte deutlich ausfallen.»