- In der zweiten SRG-Umfrage lehnen 51 Prozent der Befragten die Reform der beruflichen Vorsorge ab. 42 Prozent sind dafür.
- Die linke Gegnerschaft warnt erfolgreich vor einem «Renten-Bschiss».
- Auch bei der zweiten Abstimmungsvorlage, der Biodiversitäts-Initiative, hat sich ein Nein-Trend eingestellt.
Kompliziert? Auf jeden Fall. Langweilig? Niemals! Um die Pensionskassenreform hat sich ein wahres Politdrama entfaltet. Und das bei einer Vorlage, die kaum jemand in drei Sätzen erklären kann. Wobei genau das zu ihrem grössten Problem werden könnte.
Angst vor Sturz ins Ungewisse
Wer im Dickicht der Zahlen und Fachbegriffe nicht mehr durchblickt, wählt erst einmal den Status quo. Oder, wie es das Forschungsinstitut GFS Bern ausdrückt, das die Umfrage im Auftrag des SRG SSR durchgeführt hat: den Spatz in der Hand.
«Stand heute ist mit einem Nein zu rechnen», sagt die Politologin Martina Mousson von GFS Bern. «Der Eindruck, dass man durch diese Reform ‹beschissen› wird, dominiert die Meinungsbildung.»
In den letzten Wochen hat sich ein Klima der Verunsicherung eingestellt. Befeuert von den Medien, regten sich Zweifel an den kommunizierten Zahlen und den Auswirkungen der Reform.
Fatale Fehlprognose
Schon zu Beginn des Abstimmungskampfs geriet die BVG-Reform in die Bredouille: Sie wurde von den Nachbeben der «AHV-Panne» erfasst. Der Rechenfehler des Bundes bei der AHV-Abstimmung von 2022 war Anfang August publik geworden.
«Diese Fehlprognose hat das Meinungsklima mitbestimmt», vermutet die Politologin. Zahlenwirrwarr gab es auch um die BVG-Reform selbst: Jüngst mussten die Gewerkschaften einräumen, dass sie mit falschen Zahlen gegen die Vorlage ankämpften.
«Dass so viel über Zahlen gestritten und diskutiert wurde, war wenig hilfreich für die Reform», sagt Mousson. Inzwischen herrscht ein verbreitetes Unbehagen, von dem die linke Gegnerschaft profitiert: Sie warnt davor, dass die Pensionskassenreform zu tieferen Renten führen würde – und findet damit Gehör.
Frauenfrage rückt in den Hintergrund
Die Angst vor dem «Renten-Bschiss» überlagert die Argumente der Befürworterinnen und Befürworter. So etwa dasjenige, wonach die Reform Frauen mit Teilzeitjobs besserstellen würde.
Die Frauenfrage stand nach der Erhöhung des Rentenalters im Zentrum der BVG-Reform. «Nun sind Frauen und Männer fast gleichermassen dagegen», führt Mousson aus – in der ersten SRG-Umfrage zeigte sich noch ein grosser Unterschied. «Obwohl die Forderung breit geteilt wird, dass die Situation der Frauen verbessert werden soll.»
Generell haben sich die verschiedenen Wählerschaften den Parteiparolen angeglichen. Im linken Lager ist das Nein nun weit geschlossener als noch bei der ersten SRG-Umfrage. «Bei der SVP ist die Basis aber gespalten, genauso wie die Partei selbst», sagt Mousson. Einige Kantonalsektionen und SVP-Exponenten haben sich nämlich gegen die Reform ausgesprochen.
Kein vertrauensbildender Effekt
Die BVG-Reform bricht auch mit einer goldenen Regel bei Behördenvorlagen: «Normalerweise gleicht sich die Meinung der Stimmbevölkerung jener von Parlament und Bundesrat an», erklärt Mousson. Bei der BVG-Reform bleibt dieser Effekt aus. Zudem sind gerade Menschen, die der Regierung ohnehin misstrauen, äusserst kritisch gegenüber der Vorlage eingestellt.
Das Ruder noch herumzureissen, wird für die Befürworterinnen und Befürworter schwierig: «Der Trend geht Richtung Nein, die Contra-Argumente dominieren, und die Stimmberechtigten selbst gehen von einer Ablehnung aus», schliesst die Politologin.