Teuerungsausgleich auf Renten, Verbot von gefährlichen Pflanzenschutzmitteln, höhere Steuerabzüge für Kita-Kosten: Am 1. Januar 2023 treten verschiedene Gesetzes- und Verordnungsänderungen in Kraft. Ein Überblick in alphabetischer Reihenfolge.
Adoption: Personen, die ein weniger als vier Jahre altes Kind adoptieren, haben neu Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von zwei Wochen. Sind beide Elternteile erwerbstätig, können sie die zwei Wochen Urlaub frei untereinander aufteilen, den Urlaub aber nicht gleichzeitig beziehen. Verschiedene Kantone kennen einen Adoptionsurlaub bereits heute. Kein Leistungsanspruch besteht hingegen weiterhin bei einer Stiefkindadoption.
AHV: Die AHV- und IV-Renten von Personen mit vollständiger Beitragsdauer steigen im Jahr 2023 um dreissig bis sechzig Franken. Angesichts der erwarteten Teuerung von 3 Prozent und des Lohnanstiegs von 2 Prozent hat der Bundesrat beschlossen, die Renten der ersten Säule um 2.5 Prozent anzuheben.
Die volle AHV-Mindestrente steigt somit auf 1225 Franken pro Monat – die Maximalrente auf 2450 Franken pro Monat. Bei Ehepaaren wird der Plafond von 3585 auf 3675 Franken angehoben. Dies wirkt sich auch auf die zweite Säule aus: Der Koordinationsabzug in der obligatorischen beruflichen Vorsorge beträgt neu 25'725 Franken und die Eintrittsschwelle 22'050 Franken.
In der gebundenen Selbstvorsorge (Säule 3a) steigt der maximal erlaubte Steuerabzug auf 7056 Franken für Personen, die bereits eine zweite Säule haben. Personen ohne zweite Säule dürfen neu 35'280 Franken abziehen.
Anlegerschutz: Banken und andere Finanzdienstleister müssen bei der Information der Kundinnen und Kunden über komplexe Finanzprodukte neue Mindeststandards einhalten. Konkret müssen sie ein sogenanntes Basisinformationsblatt erstellen und Interessierten vorlegen.
Aktienrecht: Das modernisierte Aktienrecht gilt. Die Revision enthält unter anderem die Umsetzung der Abzocker-Initiative auf Gesetzesstufe sowie flexiblere Gründungs- und Kapitalvorschriften. Teile der Revision – nämlich Geschlechterrichtwerte und Transparenzvorgaben für Unternehmen, die in der Rohstoffgewinnung tätig sind – sind bereits in Kraft.
Weil nun alle Bestimmungen zu übermässigen Vergütungen im Gesetz stehen, wird die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) aufgehoben.
Arbeitslosenversicherung: Das sogenannte Solidaritätsprozent in der Arbeitslosenversicherung (ALV) fällt weg. Seit 2011 wird es auf Lohnbestandteilen über 148'200 Franken als Beitrag zur Entschuldung der Arbeitslosenversicherung erhoben.
Wie bisher gilt bis zu einer jährlichen Lohnobergrenze von 148'200 Franken der Beitragssatz 2.2 Prozent. Bei Arbeitnehmenden übernimmt der Arbeitgeber die Hälfte des Beitrags.
Armee: Die Armeeangehörigen verfügen neu über ein elektronisches Dienstbüchlein und mehr Sold. Auch die Spesen für Übernachtungen in Gastbetrieben werden erhöht. Neu kann die Armee zudem Veranstaltungen von nationaler oder internationaler Bedeutung wie Sportanlässe, Schiess- und Schwingfeste «ausnahmsweise und in bescheidenem Umfang» unterstützen, auch wenn das nicht ihrer Übung oder Ausbildung dient.
Eine weitere Revision erlaubt flexiblere Anstellungsbedingungen für Spezialfunktionen in der militärischen Friedensförderung – mit dem Ziel, hinreichend Spezialistinnen und Spezialisten für die Einsätze rekrutieren zu können.
Asyl: Der Bund bezahlt neu für alle 18- bis 25-jährigen Flüchtlinge und vorläufig aufgenommenen Personen unabhängig von der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit oder einer Ausbildung eine Globalpauschale an die Kantone aus.
Zudem wird die Globalpauschale für Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene sowie für Schutzbedürftige ohne Aufenthaltsbewilligung (Status S) in zwei separate Pauschalen aufgetrennt, um den unterschiedlichen ausländer- und integrationspolitischen Voraussetzungen Rechnung zu tragen.
Coronavirus: Wer einen Corona-Test macht, muss diesen selbst bezahlen. Die Krankenversicherung übernimmt die Testkosten nur noch in Einzelfällen – nämlich dann, wenn ein positiver Test zu einer medizinischen Behandlung führt.
Dies dürfte meistens dann der Fall sein, wenn eine erkrankte Person ins Spital eingewiesen wird. Allerdings werden für die Kostenübernahme der Tests Franchise und Selbstbehalt verrechnet. Die Covid-Erwerbsausfallverordnung wird ebenfalls aufgehoben.
Energieeffizienz: Personenwagen in der Schweiz werden nun anders in Energieeffizienz-Kategorien eingeteilt. Die Verordnungsänderung trägt dem schrittweisen Wegfall der Typengenehmigung Rechnung. Zudem wird eine bessere Übereinstimmung mit den CO2-Emissionsvorschriften erzielt.
Energiegesetz: Die Revision des Energiegesetzes tritt am 1. Januar 2023 in Kraft und zielt darauf ab, die Nutzung von erneuerbare Energien zu erhöhen. So wird unter anderem der Bau von Photovoltaikanlagen gefördert, indem eine hohe Einmalvergütung für die Anlagen ohne Eigenverbauch eingeführt wird. Sie beträgt bis zu 60 Prozent der Kosten der Referenzanlagen. Zudem gibt es kantonal teils neue Vorschriften bei Neubauten und bei Öl- und Gasheizungen.
Erbrecht: Erblasserinnen und Erblasser können über einen grösseren Teil ihres Nachlasses frei verfügen als bisher. Heute müssen drei Viertel des gesetzlichen Erbteils an die Kinder gehen. Ab 2023 wird es nur noch die Hälfte sein. Der Pflichtteil für die Eltern entfällt mit der Modernisierung ganz. Jener des Ehepartners oder des eingetragenen Partners bleibt dagegen unverändert.
Ergänzungsleistungen: Die Ergänzungsleistungen und die Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose werden im Jahr 2023 um je 2.5 Prozent angehoben. Der Betrag für die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs von Alleinstehenden steigt auf 20'100 Franken pro Jahr. Dies entspricht einer Erhöhung um rund vierzig Franken pro Monat.
Bei Paaren wird der jährliche Betrag auf 30'150 Franken und damit um rund sechzig Franken pro Monat erhöht. Zudem werden die bei den Ergänzungsleistungen angerechneten Höchstbeträge für die Miete um 7.1 Prozent angehoben. Damit berücksichtigt die Erhöhung auch den Anstieg der Energiepreise.
Familien: Für externe Kinderbetreuungskosten können Eltern neu bis zu 25'000 Franken pro Kind von der direkten Bundessteuer abziehen. Bisher lag der maximale Abzug bei 10'100 Franken pro Kind und Jahr. Die Änderung führt beim Bund zu Ausfällen von jährlich rund zehn Millionen Franken.
Damit der Abzug geltend gemacht werden kann, muss das Kind weniger als 14 Jahre alt sein und mit der steuerpflichtigen Person zusammenleben. Die Betreuungskosten müssen zudem einen direkten Zusammenhang haben mit der Arbeit oder Ausbildung der Mutter oder des Vaters.
Finanzflüsse: Die Schweiz führt mit zwölf weiteren Staaten und Territorien den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA) ein. Ein erster Datenaustausch mit Ecuador, Georgien, Jamaika, Jordanien, Kenia, Marokko, Moldawien, Montenegro, Neukaledonien, Thailand, Uganda und der Ukraine soll 2024 erfolgen. Der AIA will illegale Finanzflüsse bekämpfen.
Geldwäscherei: Es gelten neue Regeln zur Bekämpfung der Geldwäscherei. Finanzintermediäre müssen in den Bereichen wirtschaftliche Berechtigung, Aktualität der Kundendaten und Geldwäscherei-Verdachtsmeldungen genauer hinsehen. Keine neuen Regeln gibt es dagegen für Anwälte, Notare und andere Beraterinnen und Berater.
Gesundheit: Um den Kostenanstieg im Gesundheitswesen zu bremsen, gelten neue Massnahmen. Eine davon ist ein Experimentierartikel. Dieser soll es erlauben, innovative Projekte durchzuführen, mit denen die Kosten gedrückt, die Qualität der Leistungen gestärkt oder die Digitalisierung vorangebracht werden.
Zudem werden Leistungserbringer wie etwa Spitäler und Ärzte, Versicherungen und Organisationen für Tarifstrukturen verpflichtet, Daten kostenlos an Bund und Kantone zu liefern, wenn diese die Angaben für die Festsetzung und die Genehmigung von Tarifen im ambulanten Bereich benötigen.
Grundbuch: Neu wird geregelt, dass die Verwaltung die AHV-Nummer zur Identifikation von Personen verwendet. Zudem wird der Bund Anfragen von Behörden entgegennehmen und an die zuständigen kantonalen Stellen weiterleiten. Aufgrund der Vernehmlassung präzisierte die Landesregierung die Bestimmungen zum Datenschutz. Unter anderem müssen Anfragen berechtigter Behörden protokolliert werden.
Hülsenfrüchte: Der Bund fördert den Anbau von Bohnen, Erbsen, Kichererbsen, Lupinen und Linsen zum Essen mit Einzelkulturbeiträgen. Für diese Hülsenfrüchte wird ein jährlicher Beitrag von tausend Franken pro Hektare ausgerichtet. Der Bund begründet dies mit dem Trend zur pflanzenbasierten Ernährung. Heute gibt es nur Beiträge für als Tierfutter angebaute Hülsenfrüchte.
Krankenkasse: Nach vier relativ stabilen Jahren steigen die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr 2023 in allen Kantonen und bei allen Altersgruppen deutlich an: Die durchschnittliche Monatsprämie beläuft sich auf 335 Franken, was einem Anstieg von 6.6 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Die durchschnittliche Prämie für Erwachsene (397 Franken) und jene für junge Erwachsene (280 Franken) nehmen um 6.6 Prozent beziehungsweise um 6.3 Prozent zu. Die Kinderprämien steigen um 5.5 Prozent und schlagen neu mit 105 Franken zu Buche.
Medizin: Auf Bundesebene gilt neu eine Liste mit 18 Gruppen von Eingriffen. Diese werden in der Regel nur noch vergütet, wenn sie ambulant durchgeführt werden, ausser es liegen besondere Umstände vor. Die bisher unterschiedlichen kantonalen Listen werden somit schweizweit harmonisiert.
Mehrwertsteuer: Nicht gewinnstrebige, ehrenamtlich geführte Sport- und Kulturvereine und gemeinnützige Institutionen mit einem Umsatz von weniger als 250'000 Franken müssen keine Mehrwertsteuer mehr entrichten. Heute liegt die Umsatzgrenze bei 150'000 Franken. Profitieren von der neuen Regelung dürften rund 180 Organisationen, wenn sie sich bei der Steuerverwaltung abmelden.
Pflanzenschutz: Ab sofort dürfen keine Pflanzenschutzmittel mit hohem potenziellem Risiko mehr verwendet werden. Verboten sind Pflanzenschutzmittel für die private Verwendung, wenn die Mittel bestimmte Gesundheitsgefahren darstellen, giftig oder sehr giftig für Wasserorganismen sind oder zu einem Risiko für Bienen führen.
Sport: Ethische Grundsätze im Sport haben nun eine rechtsverbindliche Basis. Damit sollen insbesondere junge Athletinnen und Athleten besser geschützt werden. So kann der Bund finanzielle Kürzungen durchsetzen, wenn Grundsätze nicht eingehalten werden. Bei seinen Sanktionen kann er sich auch auf die Untersuchungen der neuen unabhängigen Meldestelle abstützen.
Strassenverkehr: Behörden können Tempo-30-Zonen einfacher einführen. Für die Schaffung solcher Zonen in nicht verkehrsorientierten Strassen braucht es vorgängig kein Gutachten mehr. Weiter erhalten Fahrgemeinschaften neue Sonderrechte. Dazu gehört ein neues Symbol. Dieses zeigt an, dass Fahrbahnen oder Fahrspuren nur von Fahrgemeinschaften benützt werden dürfen.
Fahrgemeinschaften dürfen demnach auch auf Busstreifen fahren dürfen, wenn sie den öffentlichen Verkehr nicht behindern. Das Symbol kommt auch zum Einsatz, um Parkplätze für Fahrgemeinschaften zu reservieren.
Terrorismus: Privatpersonen haben weniger leicht Zugang zu Chemikalien, aus denen sich Bomben bauen lassen. Das sogenannte Vorläuferstoffgesetz und die dazugehörige Verordnung treten in Kraft. Bei höheren Konzentrationen ist für den Kauf grundsätzlich eine Bewilligung des Bundesamts für Polizei (Fedpol) nötig. Nur im Ausnahmefall dürfen Fachgeschäfte gewisse dieser Produkte in kleinen Mengen verkaufen.
Velo: Das neue Veloweggesetz setzt die Grundsätze des von Volk und Ständen angenommenen Verfassungsartikels um. Die kantonalen Behörden müssen fortan für Velowegnetze mit einer «angemessenen Dichte» sorgen.
Die Velowege müssen eine «direkte Streckenführung» aufweisen, «möglichst sicher» sein und einen «homogenen Ausbaustandard» aufweisen. Umgesetzt werden müssen die kantonalen Pläne innerhalb von 20 Jahren.
Wolf: Für Schafe, die während der Sömmerung zum Schutz vor Wölfen in geschützten Weidesystemen gehalten werden, gibt es höhere Sömmerungsbeiträge. Die Direktzahlungsverordnung wird entsprechend angepasst.
Weiter sieht die geänderte Verordnung vor, dass Sömmerungsbeiträge und Biodiversitätsbeiträge auch vollständig ausbezahlt werden, wenn eine Herde wegen der Präsenz eines Wolfes von der Alp geholt wird.