Die Unsicherheiten, die die Handelspolitik der USA unter Präsident Trump auslöst, sind enorm – auch in der Schweiz. Der Bundesrat versucht, die Wogen zu glätten. So hat Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter in Washington einen Termin mit dem US-Finanzminister, um die hohen Zölle auf Schweizer Waren abzuwenden. Gleichzeitig ist Aussenminister Ignazio Cassis in Asien: am Mittwoch in Japan, am Donnerstag in China. Worum es ihm dabei geht, erklärt er im Interview.
SRF News: Wird China jetzt wichtiger für die Schweiz wegen des Zollkonflikts mit den USA?
Ignazio Cassis: Beide Länder bleiben sehr wichtig für die Schweiz – und nicht zu vergessen: Die Europäische Union ist die grösste und wichtigste Handelspartnerin der Schweiz – und diese Beziehungen müssen wir als allererstes stabilisieren und weiterentwickeln. Denn: Der Handel mit dem zweitwichtigsten Partner, den USA, beläuft sich auf nur rund ein Drittel des Handels mit der EU, jener mit China auf rund ein Zehntel.
Die USA und China liefern sich einen Handelskrieg, der Druck auf die anderen Staaten wächst, sich diesem oder jenem Lager anzuschliessen. Wie geht die Schweiz mit diesem Druck um?
Dieser Druck ist nicht neu – schon während der ersten Amtszeit von Präsident Trump wurde aus den USA Druck aufgebaut, diese oder jene Hardware nicht in China zu kaufen. Derweil wies die Schweiz stets auf ihre freie Marktwirtschaft hin, in der die Unternehmen entscheiden, welche Geräte sie für die Digitalisierung benutzen. Aber klar: Jetzt nimmt der Druck der beiden Hegemonialmächte China und USA weiter zu.
Es ist eine Gratwanderung – aber die Schweiz hat viel Erfahrung mit solchen Situationen.
Und was tut die Schweiz?
Wichtig ist: Ein Schritt nach dem anderen und kühlen Kopf bewahren. Es ist eine Gratwanderung – aber die Schweiz hat viel Erfahrung mit solchen Situationen.
Peking hat kürzlich angedroht, jene Länder zu bestrafen, die mit den USA einen Deal eingehen, der China benachteiligt. Hat Aussenminister Wang Yi dies konkretisiert?
Derzeit versuchen alle Länder, einen Deal mit den USA zu erhalten – auch China. Das ist zurzeit der wichtigste Satz.
Im Parlament ist ein Investitions-Prüfungsgesetz hängig, das vor allem China im Visier hat. Die USA begrüssen dies, China sieht es dagegen gar nicht gern. Wie kann die Schweiz die Vorstellungen der beiden Grossmächte ausbalancieren?
Das Parlament gehört zur Schweiz und muss nun seinen Entscheid treffen. Der Bundesrat hat dazu seine Meinung geäussert. Ich bin zuversichtlich, dass auch das Parlament die angesprochene Gratwanderung schaffen wird.
Die Schweiz muss künftig mit einer grösseren Flexibilität und Agilität unterwegs sein.
Grundsätzlich gilt: Wir müssen in Zukunft mit einer grösseren Flexibilität und Agilität unterwegs sein. Einmal gefällte Entscheide müssen der sich verändernden Lage angepasst werden können.
Ein Bericht des Bundesrates dokumentiert, wie Peking Druck auf Uiguren und Tibeter in der Schweiz ausübt und sie ausspioniert. Haben Sie dies bei Ihrem Treffen mit Wang Yi angesprochen?
Selbstverständlich. Wir sprechen auch unbequeme Themen an, bei denen es Divergenzen gibt. Darum ist die Freundschaft wichtig – denn dann kann man auch über Unbequemes sprechen, ohne Probleme zu bekommen. Man bleibt einfach unterschiedlicher Meinung.
Das Gespräch führte Samuel Emch.