Europa befindet sich in einer Sicherheitskrise, die Rolle der USA als Sicherheitsgarant ist infrage gestellt, und die Schweiz wählt mit Martin Pfister wahrscheinlich den nächsten Vorsteher des Verteidigungsdepartements (VBS). Wie diese Wahl zu deuten ist, erklärt Politologe Michael Hermann.
SRF News: War die Wahl von Martin Pfister eine Reaktion auf die Sicherheitslage in Europa und die Politik Donald Trumps?
Michael Hermann: Es ist ja vor allem das Recht des Stärkeren, das sich international durchzusetzen scheint. Viele haben erwartet, dass auch die Schweiz in dieser Situation auf den Kandidaten mit mehr Ellbogen setzt. Doch die Schweiz bleibt die Schweiz und schwimmt nicht mit dem globalen Zeitgeist mit. Wer zu stark zu dominieren versucht, wird zurückgebunden. Das musste schon Bundesrat Christoph Blocher erleben.
Weshalb kam das Parlament zum Schluss, dass Pfister die bessere Wahl für das VBS ist?
Zwar gab es einige Stimmen, die sich einen Aufräumer wie Ritter im VBS wünschten. Die Schweiz ist jedoch nicht geschaffen für das Kettensägen-Prinzip. Die Wahl von Martin Pfister ist in diesem Sinn tatsächlich auch eine Absage an ein Trump'sches Politikverständnis, das auf Druck und Drohungen setzt. Dem kollegialen Umgang wurde mehr Bedeutung geschenkt. Viele Parlamentsmitglieder sind sich bewusst, dass es im Bundesrat gerade an dieser Kollegialität mangelt und da trauen sie Pfister offenbar mehr zu.
Wie kann Martin Pfister die Ausrichtung der Sicherheitspolitik im Bundesrat massgeblich prägen?
Er allein kann das nicht. In den letzten Wochen hat sich jedoch auch die Stimmungslage in Bern verändert. Wie im Vereinigten Königreich hat sich auch in der Schweiz das Bewusstsein für die gemeinsamen europäischen Interessen verstärkt zurückgemeldet. Zu einem gewissen Grad auch das Bewusstsein für die Bedeutung der Armee. Hier dürfen wir uns allerdings nichts vormachen. In vielen Köpfen ist immer noch die Vorstellung verankert, dass wir weitab von allfälligen Kriegsschauplätzen sind und als Trittbrettfahrer mitfahren können.
Martin Pfister hat gerade als Historiker ein ausgeprägtes Bewusstsein für die europäische Perspektive.
Sie haben geschrieben, die Wahl Pfisters sei ein Zeichen, dass sich die Schweiz nicht einigen will. Was bedeutet das?
Markus Ritter ist ein Mann der Scholle, der Binnenwirtschaft. Martin Pfister hat hingegen gerade auch als Historiker ein ausgeprägtes Bewusstsein für die europäische Perspektive. Ausserdem steht er für eine international vernetzte Wirtschaft.
Der Bundesrat ist mit der Wahl Martin Pfisters konservativer als die Bevölkerung. Welche Auswirkungen hat das?
Das Bild einer konservativen Viererbande greift meines Erachtens zu kurz. Die bilateralen Beziehungen werden in den kommenden Monaten und Jahren ein Schlüsselthema sein und dort gibt es keine ganz so klaren Fronten. Die grosse Frage wird sein, ob Martin Pfister so isoliert bleibt wie zuletzt Viola Amherd, oder ob er es schafft, neue dynamische Allianzen zu bilden.
Das Interview führte Fabrizio Bonolini.