Zum Inhalt springen

Mehr Einnahmen generieren Sparpläne des Bundes: das halbe Volk steht nicht dahinter

Laut einer repräsentativen Umfrage lehnen 48 Prozent der Schweizer Bevölkerung das Massnahmenpaket des Bundesrates ab.

Die Schweiz muss sparen. Der Bundesrat will das Budget in den nächsten Jahren um rund vier Milliarden Franken entlasten, um den Bundeshaushalt wieder ins Lot zu bringen.

Längerfristig ins Gewicht fällt der Verzicht auf die Bundesbeiträge für die familienergänzende Kinderbetreuung. Nicht betroffen sein soll die Armee.

Kürzungen auch beim Klima vorgesehen

Box aufklappen Box zuklappen

Eine Expertekommission um den früheren Finanzverwalter des Bundes, Serge Gaillard, hat den Haushalt durchleuchtet und dem Bundesrat Anfang September 60 Sparvorschläge unterbreitet.

Der Bundesrat wird einige dieser Vorschläge berücksichtigen, wie er Ende September bekannt gab. Neben dem Verzicht auf Bundesbeiträge für die familienergänzende Kinderbetreuung betreffen die Kürzungen auch die Integrationspauschale für Flüchtlinge, Klimaschutz-Subventionen, die Entwicklungshilfe, den Bahninfrastrukturfonds sowie den Nationalfonds.

Mit seinem umfassenden Massnahmenpaket plant die Landesregierung, das Budget ab 2027 um 3.6 Milliarden Franken zu entlasten. Ab 2023 sollen es dann 4.6 Milliarden sein.

Nun zeigt eine repräsentative Umfrage der Forschungsstelle Sotomo mit über 3000 Befragten: Knapp die Hälfte der Schweizer Bevölkerung (48 Prozent) steht nicht hinter diesen Plänen. Und 45 Prozent sprechen sich für die Sparmassnahmen des Bundes aus.

Anhängerinnen und Anhänger von SVP, FDP und Mitte bewerten das Massnahmenpaket mehrheitlich positiv, bei jenen der GLP, SP und Grünen sind die Meinungen grösstenteils ablehnend. Insbesondere Frauen, Personen mit höherer Bildung und Jüngere stehen dem Vorschlag des Bundesrates skeptisch gegenüber.

Am meisten befürwortet (ja oder eher ja) werden die angekündigten Sparmassnahmen von Anhängern der FDP, gefolgt von SVP und Mitte. Grünliberale lehnen den bundesrätlichen Vorschlag mehrheitlich ab, den Grünen und der SP Nahestehende sprechen sich fast einstimmig dagegen aus.

Mehrheit für mehr Einnahmen

Die Landesregierung hat Mitte September verkündet, dass sie hauptsächlich die Ausgaben reduzieren und nur vereinzelt Einnahmen generieren will. Doch eine Mehrheit von 54 Prozent möchte das Defizit mindestens zur Hälfte durch Mehreinnahmen decken. Nur SVP- und FDP-Parteinahe sind mehrheitlich der Ansicht, es sollte vor allem oder ausschliesslich gespart werden.

Wo das Volk ansetzen will

Gefragt wurde auch, wo genau die Menschen in der Schweiz sparen oder mehr einnehmen möchten. Bei den Ausgaben ist sich die Bevölkerung uneinig: Keine der zur Auswahl gestandenen Option besitzt eine Mehrheit. 41 Prozent von jenen, die sich fürs Sparen aussprechen, wollen den Rotstift bei der Entwicklungshilfe ansetzen, 36 Prozent bei der Medienförderung und 35 Prozent bei der Armee.

Naturgemäss hegen die Anhängerschaften der sechs grössten Parteien unterschiedliche Sparwünsche: Anhänger der SP, Grünen und GLP sehen am meisten Sparpotenzial bei der Armee, dem Strassenverkehr sowie der Landwirtschaft, während jene der Mitte, der FDP oder der SVP am meisten bei der Entwicklungshilfe, aber auch bei der Kultur sparen würden.

Volk will Steuervorteile bei der Vorsorge nicht streichen

Box aufklappen Box zuklappen

Was die Bevölkerung offenbar aber nicht goutiert, ist das einzige Vorhaben des Bundesrates, Mehreinnahmen durch steuerliche Massnahmen zu schaffen: nämlich Steuervorteile auf den Bezug von Vorsorgekapital in der zweiten und dritten Säule zu reduzieren. Nur neun Prozent finden das gut. Allerdings sind mit «nur» 41 Prozent am drittmeisten Personen explizit dagegen.

Sotomo begründet diesen scheinbaren Widerspruch damit, dass diese mögliche Steuer noch eher unbekannt sei oder von vielen noch nicht vollständig verstanden werde.

Eine zweite von der Expertengruppe vorgeschlagene Einnahmequelle, die der Bundesrat jedoch nicht berücksichtigt hat – eine Grundstückgewinnsteuer auf Bundesebene – schneidet bei der Bevölkerung hingegen deutlich besser ab (32 Prozent).

Am besten kommt eine Finanztransaktionssteuer an. 53 Prozent wünschen sich eine solche Steuer. Sie wird von Anhängerinnen und Anhänger aller Parteien am häufigsten oder zweithäufigsten genannt. Sie wurde vom Bundesrat ebenfalls nicht weiterverfolgt.

Dies stehe im Widerspruch zu den Beschlüssen des Nationalrats in der letzten Herbstsession, schreibt Sotomo in seinem Bericht. Zum einen erhöhte er die Beiträge zur indirekten Presseförderung von 30 auf 45 Millionen Franken.

Zum anderen habe er den Zahlungsrahmen der Armee für die Jahre 2025 bis 2028 auf 29.1 Milliarden Franken aufgestockt – rund acht Milliarden mehr als der letzte Zahlungsrahmen und vier Milliarden mehr als vom Bundesrat ursprünglich vorgesehen. Sotomo fügt aber auch hinzu, dass der Bundesrat beschlossen habe, einen Teil der zusätzlichen Armeegelder bei der internationalen Zusammenarbeit, zu der auch die Entwicklungshilfe gehört, einzusparen.

Solange es ein geschnürtes Paket ist, ist es einfacher, Mehrheiten zu finden.
Autor: Michael Herrmann Politologe bei Sotomo

Was heisst das jetzt alles für die Diskussion im Parlament? Sotomo-Politologe Michael Herrmann glaubt, dass es die Vorschläge schwer haben werden. «Solange es ein geschnürtes Paket ist, ist es einfacher, Mehrheiten zu finden.» Wenn es denn aber um einzelne, konkrete Massnahme gehen wird, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass das Paket aufgeschnürt und zerpflückt wird.

Datenerhebung und Methodik

Box aufklappen Box zuklappen

Die Befragung wurde zwischen dem 28. Oktober und dem 11. November 2024 durchgeführt. Die Grundgesamtheit der Befragung bildet die sprachlich integrierte Wohnbevölkerung der Deutschschweiz und der französisch- und italienischsprachigen Schweiz. Die Umfrage erfolgte online über das Netzwerk von Sotomo. Nach Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 3080 Personen ausgewertet werden.

Da sich die Teilnehmenden der Umfrage sebst rekrutieren (Opt-in-Verfahren), ist die Zusammensetzung der Stichprobe zunächst nicht repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung. Deshalb werden die Umfragedaten entsprechend gewichtet, um die Stichprobe an die Grundgesamtheit anzugleichen. Zu den Gewichtgungskriterien gehören unter anderem Geschlecht, Alter, Bildung, politische Orientierung und Sprachregion. Für die vorliegende Gesamtstichprobe beträgt der statistische Fehlerbereich +/-1.8 Prozentpunkte.

SRF 4 News, 19.11.2024, 17:00 Uhr;kobt

Meistgelesene Artikel