Seit Wochen gilt: Regenjacke nicht vergessen. Wird sich das noch ändern oder können wir uns den Sommer abschminken? Der Experte ordnet ein.
Regnet es momentan wirklich so viel?
Der Eindruck täuscht nicht. Es war ein sehr nasses letztes Halbjahr. Das hat eigentlich schon im Oktober angefangen. Die Monate Februar und April waren leicht unterdurchschnittlich – ansonsten regnete es mehr als üblich. Insgesamt haben wir eines der nassesten Halbjahre seit Messbeginn hinter uns. Zudem hat die Sonne wenig geschienen. Auch der Juni hat sehr nass angefangen. Wichtig ist aber auch: Es ist nicht so, dass es ständig regnet. In den vergangenen Tagen und Wochen hat es immer wieder mal eine Region getroffen – andere aber nicht. Das wird auch so bleiben.
Der Grund für den vielen Regen ist einfach: Über der Schweiz installierte sich kein stabiles Hochdruckgebiet, das sich über einen längeren Zeitraum halten konnte. Stattdessen erleben wir viele Tiefdruckgebiete. Zudem kommt noch ein Phänomen hinzu, das wir Meteorologen als Kaltlufttropfen bezeichnen, die sich als aussergewöhnlich langlebig erwiesen.
Was bedeutet das für Gewässer und Böden?
Die Böden sind nach dem nassen halben Jahr gut gesättigt, können also nicht mehr viel aufnehmen. Anders gesagt: Alles, was jetzt runterkommt, könnte zu viel sein. Besonders entlang der Alpen könnte das gefährlich werden – gerade angesichts der zusätzlichen Schneeschmelze. Im Hochgebirge liegen noch immer teils Rekordmengen an Schnee. Allerdings ändert sich die Art der Niederschläge im Vergleich zum letzten Wochenende: Statt konstantem Niederschlag dürften es in den kommenden Wochen eher vorübergehende Schauer sein. In diesem Fall dürften die Gewässer nicht mehr so schnell ansteigen. Stark heruntergehen werden die Pegel aber wohl auch nicht.
Wie sieht die Lage ausserhalb der Schweiz aus?
In Süddeutschland hatten die vielen Niederschläge in letzter Zeit bekanntlich verheerende Folgen. Die Region lag im Zentrum eines Tiefdruckgebiets und bekam dementsprechend viel Regen ab. Allerdings führte noch eine weitere Eigenheit zu stärkeren Überschwemmungen, als wir sie hier in der Schweiz hatten: nämlich die flachere Umgebung. Gerade das Alpenvorland ist bekannt dafür, dass das Wasser langsamer abfliesst.
Weltweit dominiert neben lokalen Starkregenereignissen die Hitze: Gerade erst ist der neueste Bericht des EU-Klimawandeldienstes Copernicus erschienen. Dieser zeigt: Wir haben global gesehen das wärmste Jahr seit Messbeginn hinter uns. In jedem der vergangenen 12 Monate wurde eine neue globale Höchsttemperatur erreicht.
Wann kommt der Sommer endlich?
Diese Woche kann man eigentlich schon von Sommer sprechen. Aber klar: Ein stabiler Sommer mit Temperaturen von 25 bis 30 Grad ist etwas anderes. Ein längeres Hochdruckgebiet ist im Moment nicht in Sicht. Im Gegenteil: Bis Sonntag kommt noch warme Luft auf uns zu – gepaart mit Regengüssen. Auf nächste Woche steht dann aber eine Kaltfront bevor. Was Hoffnung macht: Der wichtigste Termin steht noch bevor. Über den Sommer entscheidet häufig die Wetterlage Ende Juni, Anfang Juli. Da gibt es ja auch die bekannte «Siebenschläfer-Regel», wonach das Wetter am 27. Juni einen Ausblick auf die kommenden sieben Wochen gibt. Wir Meteorologen nennen das eine «meteorologische Singularität». Allerdings stimmt das Datum nicht ganz. Die Regel stammt nämlich noch aus der Zeit vor dem gregorianischen Kalender. Tatsächlich müsste der Stichtag etwas nach hinten verschoben werden. Wir haben also noch etwas Zeit.