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VBS unter Druck Das sind die grössten Baustellen der Schweizer Armee

Die Schweizer Armee kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Viola Amherd haben Armeechef Thomas Süssli und Geheimdienstchef Christian Dussey ihre Kündigung eingereicht. Und neben den Problemen bei Schlüsselprojekten der Armee erschüttert nun auch ein Bericht der Finanzkontrolle zu möglichem Millionenbetrug im Rüstungsbetrieb Ruag das VBS. Wo der Schuh bei der Armee besonders drückt.

Das Personal läuft davon

Das Verteidigungsdepartement verliert innert kürzester Zeit einen Teil seines Spitzenpersonals. Anfang Januar hat Bundesrätin Viola Amherd ihren Rücktritt eingereicht. Kurz danach hat der Programmleiter des Projektes Air 2030, bei dem es um Erneuerung der Luftwaffe geht, angekündigt, in die Privatwirtschaft zu wechseln. Der Kommandant der Luftwaffe, Peter Merz, wiederum wird CEO der Flugsicherung Skyguide.

Nun folgt mit den Kündigungen von Armeechef Thomas Süssli und Christian Dussey, Chef des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) der nächste Knall. Der neue Verteidigungsminister – er wird am 12. März gewählt – wird schnell bedeutende Personalentscheide fällen müssen. 

Eine Strategie fehlt

Die Armee passte in den vergangenen Jahrzehnten stets die Mittel der Bedrohungslage an und definierte entsprechende Strategien. Solche Zielbilder waren wichtig, um den Sinn der teils immensen Aufwände zu vermitteln. Mit der «Armee 21» setzte sie 2004 beispielsweise mit reduzierten Truppen Mittel frei, die in neue Technologien fliessen konnten.

Zuletzt sollten mit der «Weiterentwicklung der Armee» ab 2010 Verbesserungen umgesetzt werden. Seither hat sich die geopolitische Lage fundamental geändert – aber ein adäquates Leitbild fehlt. Das Verteidigungswesen hat sich angesichts der Vielzahl von Herausforderungen verzettelt.

Wäsche auf Wäschespinne im Garten, mit Tarnkleidung.
Legende: Das Tenue blieb stets gleich, eine adäquate Strategie fehlt: Die Schweizer Armee kommt nicht aus der Problemzone heraus. KEYSTONE/Laurent Gillieron

Die Luftwaffe schwächelt

Die Modernisierung der nötigen Systeme steckt fest. Die 25-jährigen Kampfjets des Typs F/A-18 befinden sich in einem Instandhaltungsprogramm, das wegen Komplikationen verlängert werden musste. Darum ist seit Jahren nur rund ein Dutzend der 30 F/A-18 einsatzfähig. Auch die Luftraumüberwachung ist eine Schwachstelle. Ein für den Ernstfall taugliches System kommt kaum voran.

Gänzlich veraltet ist die Flugabwehr für mittlere Reichweiten. Zwar hat das Parlament beim Rüstungseinkäufer Armasuisse im Eilverfahren neue Flugabwehrraketen bestellt, die auch Drohnen abschiessen können. Doch noch ist von Armasuisse keine Bestellung an einen Hersteller ergangen. Wann ein neues System verfügbar sein wird, bleibt offen. Bestellt ist der neue Kampfjet F-35, eine erste Lieferung soll 2028 eintreffen. Die angespannte Sicherheitslage könnte aber zu Verspätungen führen.

Debakel bei IT-Projekten der Armee

Die Schweiz entwickelt derzeit 22 digitale Schlüsselprojekte. Neun davon sind im Verteidigungsdepartement angesiedelt. Sie kosten 19 Milliarden Franken – und fast nichts läuft nach Plan. Zentral ist ein neues Betriebssystem. Die «Neue Digitalisierungsplattform NDP» soll dereinst die vernetzte Kriegsführung der Armee in allen Operationssphären abdecken; am Boden, in der Luft, im Weltraum, im Cyberspace, im elektromagnetischen und im Informationsraum. Die Umsetzung steht jedoch auf der Kippe.

Auch weitere VBS-Schlüsselprojekte drohen laut Finanzdelegation zu scheitern, etwa eines zum Ersatz der mobilen Telekommunikation. Ein neues Führungsnetz der Armee hinkt dem Zeitplan hinterher. Bei einer Logistiksoftware ist der Übungsabbruch bereits vollzogen.

Weitere Herausforderungen der Armee

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Beschaffungen laufen aus dem Ruder: Im Dezember 2024 schrieb die Finanzdelegation des Parlaments, dass Projekte mit einem Volumen von 19 Milliarden Franken von «zunehmenden Verzögerungen, steigenden Risiken und unzureichenden Ressourcen» betroffen seien. Mitte Januar kritisierte die Finanzkontrolle eine 300-Millionen-Beschaffung von Aufklärungsdrohnen aufs Schärfste. Die israelische Drohne wurde teuer an die Anforderungen der Schweiz angepasst, es gibt seit Jahren Probleme. Die ersten fünf gelieferten Drohnen sind derzeit am Boden, die Beschaffung massiv verspätet.

Streit um internationale Kooperationen: Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine kam die Schweiz international unter Druck. US-Botschafter Scott Miller sagte 2023: «Die Nato ist gewissermassen ein Donut – und die Schweiz das Loch in der Mitte.» Er meinte damit: Die Schweiz profitiert vom Schutz der Nato-Staaten, leistet aber keinen eigenen Beitrag. Inzwischen hat die Schweiz die Teilnahme am europäischen Luftabwehrsystem Sky Shield beschlossen und sie interessiert sich für die EU-Verteidigungsinitiative Pesco. Doch solche Schritte sind innenpolitisch umstritten.

In Altlasten der Armee schlummern Risiken: Da lagert zum einen die während Jahrzehnten in Bergen und Seen entsorgte Munition. Allein in der Gemeinde Mitholz im Berner Oberland schlummern 3500 Tonnen Munitionsreste in einem Bergstollen. Die Räumung und Schadstoffsanierung dauert voraussichtlich bis 2040. Zum andern ist da die Ruag. Die Finanzkontrolle hat Hinweise auf einen möglichen Millionenbetrug gefunden. Eigentlich hätte der Staat seinen Rüstungsbetrieb in die Privatwirtschaft begleiten wollen, doch dann häuften sich Pannen. Nun prüft der Bund ein Zurückholen der Ruag ins VBS. Aber auch das kann zu Konflikten führen, denn Auftraggeber der Ruag ist zu 80 Prozent die Armee.

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Dieser Artikel ist in längerer Form erstmals beim Swissinfo.ch publiziert worden. Die ausführliche Version können Sie hier lesen.

Tagesschau, 25.2.2025, 12:45 Uhr

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