Stadt wählt links, Land wählt rechts – so der Eindruck mit Blick auf die Schweizer Karte mit den Parteihochburgen. Besonders grosse Unterschiede zwischen Stadt und Land finden sich in Zürich, Basel, Genf und Bern.
Die SVP hat es in den Städten schwer. Lediglich bei drei Deutschschweizer Kantonshauptorten hat die rechtskonservative Partei die Nase vorn: in Frauenfeld, Herisau und Zug.
Wo sich ein Graben auftut
Beispiel: Stadt Luzern – lange Zeit klar von der FDP und der Mitte (ehemals CVP) dominiert. Dort gewinnt in jüngster Zeit die SP bei den Nationalratswahlen. Die bürgerlichen Parteien müssen sich mit mindestens zehn Prozent weniger Stimmen abfinden.
Über die Stadtgrenzen hinaus zeigt sich aber ein anderes Bild: In allen umliegenden Gemeinden führt das bürgerliche Lager. Mitte und SVP oben, Grüne und SP unten.
Ein roter Fleck in der Landschaft
Oder die Stadt St. Gallen – hier tut sich kein Graben auf, er scheint schon länger zu bestehen. Seit den 1990er-Jahren wählt die städtische Stimmbevölkerung bei den Nationalratswahlen rot.
Um die Stadt herum schaffen es die Grünen oder die SP aber höchsten auf den vierten Platz. Die Bürgerlichen von der Mitte über die FDP bis zur SVP geniessen überall eine deutliche Mehrheit.
SRF Data macht die Beobachtung: Je urbaner die Wählerschaft, desto linker wählt sie. Das zeigt die Aufteilung der Stimmen der sechs grössten Parteien in die vier Gemeindetypen: «Grossstadt» (die zehn grössten Städte), «städtisch», «periurban» (Agglomerationsgebiete) und «ländlich».
Nicht ein «Stadt-Land-Graben», sondern «ein Spannungsfeld zwischen den grossen Kernstädten und dem ländlichen Raum» nennt es der Politologe Michael Hermann, Leiter der Forschungsstelle Sotomo. «Die meisten Menschen leben irgendwo dazwischen – in der Agglomeration oder auch in den kleineren Städten.»
Es gibt überall einen Gegensatz zwischen Kernstadt und Umland.
In Bezug auf die Wahlergebnisse hält Hermann aber fest: «Aktuell ist es so, dass Städte wie Luzern und St. Gallen stärker nach links gehen – nicht nur Zürich und Bern.» Für den Politologen sind das zwei Beispiele dafür, dass «es überall einen Gegensatz zwischen Kernstadt und Umland gibt.»
Der Erklärungsversuch: «Menschen, die eher links denken, ziehen in die Städte.» Dort würden sie sich ein multikulturelles Umfeld und ein starkes öffentliches Angebot suchen.
«Die Menschen, die weniger Steuern zahlen wollen, die Hauseigentum suchen, die ein Auto in der Garage haben wollen, die zieht es eher ins Umland der Städte – und sie denken bürgerlich.»
«Ich sehe keine Gefahr für den Zusammenhalt der Schweiz. Das Land ist klein und vernetzt», betont Hermann.
«Problematisch ist es aber, wenn sich die Menschen nur noch mit Gleichgesinnten umgeben. Dann haben sie immer weniger Verständnis für Andersdenkende. Und das ist schlecht für die schweizerische Kompromisskultur.»