Nach neun Jahren im Amt kündigte Mitte-Parteipräsident Gerhard Pfister vergangene Woche seinen Rückzug auf den Sommer hin an. Am Mittwoch nun die nächste Überraschung: Mitte-Bundesrätin Viola Amherd tritt aus der Regierung zurück. Vier Jahre nach der Fusion mit der BDP und der Umbenennung stehen damit für die Partei erneut spannende Zeiten an.
Die ewige Frage: links oder rechts?
Die Partei nimmt im Machtkonzert in Bundesbern traditionell eine wichtige Rolle ein. Unter der alten Zauberformel hatte die damalige CVP noch zwei Sitze, ihre Stimmen waren oft entscheidend. Eine gewisse Offenheit oder Ambivalenz wurde dabei zur eigentlichen Stärke. «Die Mitte war schon immer sehr breit aufgestellt, mit verschiedenen Strömungen. Die Unschärfe sieht man schon beim Namen», erklärt der Politgeograf Michael Hermann vom Forschungsinstitut Sotomo.
In der gegenwärtigen Zusammensetzung habe die Partei diese zentrale Rolle im Bundesrat etwas eingebüsst. Geblieben sei, dass die Partei stark von Flügeln geprägt ist: Einerseits stehen da die konservativen Stammlanden und Bergregionen und andererseits das sozial offenere Mittelland.
Bei der Mitte hat es Platz für beide Flügel. Oder wie Marianne Binder sagt: «Das belebt die Diskussion.»
Die Ständerätin aus dem Kanton Aargau sieht in der aktuellen Doppelvakanz in Parteileitung und Bundesrat denn auch eine Chance: «Das entlastet uns ein bisschen. So haben wir eine gewisse Ausgewogenheit bei der Besetzung dieser Stellen.»
Die Rolle im Bundesrat: Einsam, aber nicht ohne Einfluss
Auf die Wahrnehmung einer Partei in der Öffentlichkeit nimmt die Parteileitung üblicherweise stärker Einfluss als die Vertreterin oder der Vertreter im Bundesrat. «Die Bundesratsmitglieder schweben ja immer auch etwas über der Partei», erklärt Michael Hermann. Im Vergleich zum zuweilen machtbewussten Parteipräsidenten Pfister habe die Magistratin Amherd denn auch weniger Spuren der Partei hinterlassen, findet er.
Amherd habe auch eine andere Richtung vertreten als der sozialkonservative Zuger. Sie stehe für die eher offene, gesellschaftsliberale Seite der Partei.
Die personelle Vertretung in der Landesregierung sei für den Wahlerfolg einer Partei aber ohnehin eher zweitrangig, erklärt der Politgeograf. Vielmehr könne man im Bundesrat mitentscheiden, welche Politik sich durchsetzen könne.
Europafrage und Frauenquote
Kaum ein Thema dürfte die kommenden Monate und Jahre so prägen wie die Europafrage. «Die SVP hätte natürlich Interesse daran, jemanden zu wählen, der oder die gegen die Verträge ist», sagt Michael Hermann. Nach Abschluss der Verhandlungen mit der EU liess Parteipräsident Gerhard Pfister verlauten, man sehe einen klaren Fortschritt im Vergleich zum Rahmenabkommen von 2018 . Doch in heiklen Fragen wie der Zuwanderung oder dem Lohnschutz dürften die unterschiedlichen Flügel schon bald wieder sichtbar werden.
Die SVP hätte natürlich Interesse daran, jemanden zu wählen, der oder die gegen die Verträge mit der EU ist.
Und noch in anderer Hinsicht könnten die anstehenden Personalentscheidungen Auswirkungen auf das Image der Partei haben. Unter den bürgerlichen Parteien hat sich die Mitte den Ruf erarbeitet, sie setze besonders auf Frauen. «Wenn künftig gleich alle drei Rollen (Anm. d. Red.: Parteipräsidium, Bundesrat und Fraktionspräsidium) mit Männern besetzt wären, würde das dieser Partei mit vielen starken Frauen nicht gerecht», sagt Michael Hermann.