In Washington D.C. hat der Präsident immer Vortritt. Wenn seine «Motorcade» – seine Fahrzeugkolonne – den Weg durch die Strasse des «District of Columbia» bahnt, dann steht der restliche Verkehr still.
Den Präsidenten auf Rädern kann man nicht verfehlen, er macht einen Heidenlärm. Zuerst braust eine Gruppe Motorfahrräder mit Polizisten herbei, welche die Strasse in einer unheimlichen Geschwindigkeit leerräumen und die Zugänge mit ihren Motorrädern versperren.
Dann folgen die schwarzen SUVs des US-Geheimdienstes und mittendrin fährt «the beast», wie die gepanzerte Cadillac-Limousine genannt wird, die den Präsidenten durch die Hauptstadt kutschiert. Hinter dem Biest bilden der Geheimdienst und die Polizisten auf Motorfahrrädern die Nachhut.
Schön symmetrisch ist der Wagentross aufgebaut. Er kann bis zu 45 Fahrzeuge umfassen.
Ein unterbrochenes Interview
Jederzeit kann der Präsident an einem vorbeifahren. Mich überkam es kürzlich, als ich mit gezücktem Mikrofon auf der 14. Strasse im Begriff war, ein Interview zu führen. Meinen Gesprächspartner hatte ich vor dem Lebensmittelladen «Trader Joe's» angehauen.
Der Mann, der sich als Ron Dudley vorstellte, versuchte dort das Obdachlosenmagazin «Street Sense» an Passanten zu verkaufen. Ron war schwarz, die Kunden des Lebensmittelgeschäfts weiss.
Mittellose Familien werden aus dem Zentrum verdrängt
Ich arbeite derzeit an einem Radio-Beitrag über die Gentrifizierung in Washington D.C. Das Quartier, in dem ich lebe, Columbia Heights, war vor 15 Jahren noch völlig schwarz.
Jetzt ist es im Begriff, völlig weiss zu werden. Es findet eine Art ethnische Säuberung statt. Mittellose Familien siedeln an die Stadtränder um, wo die Mieten erschwinglich sind, es aber keine Lebensmittelläden mehr gibt. Was früher diskriminierende Stadtentwicklungsprojekte bewirkten, erledigt heute der Kapitalismus.
Reden war nicht mehr möglich
Für diese Geschichte war ich in meinem Quartier auf Stimmensuche. Ich hatte meine erste Frage gestellt, Ron setzte gerade zur Antwort an, als der Präsident vorbeifuhr.
Ron und ich sahen zusammen zu. Sprachlos. Reden war nicht mehr möglich. Als die Dezibel sich wieder senkten, sagte Ron: «Welcome to D.C.»