Wenn ein Kind schwer erkrankt, haben Eltern ein Recht auf einen 14-wöchigen bezahlten Betreuungsurlaub. Vater und Mutter können diesen frei unter sich aufteilen.
Der Vater eines schwer kranken Neugeborenen wollte diesen Urlaub beziehen. Doch die Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber (AZA) verweigerte ihm das mit dem Argument, die Mutter des Kindes beziehe bereits Mutterschaftsurlaub. Dagegen wehrte sich der Vater zunächst mit Erfolg vor dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen.
Doch jetzt stellt das Bundesgericht in einem Leitentscheid klar: Gemäss Gesetz schliesst die Mutterschaftsentschädigung den Bezug der Betreuungsentschädigung für dasselbe Kind aus – und zwar für beide Elternteile. Der Vater muss also warten, bis der Mutterschaftsurlaub seiner Partnerin zu Ende ist.
«Unmenschliches» und «gleichstellungsfeindliches» Urteil
Sibylla Kämpf, Präsidentin des Vereins intensiv kids, der Angehörigen schwerkranker Kinder hilft, findet das Urteil «unmenschlich». «Wenn man ein Kind bekommt, das schwer erkrankt ist, zieht einem das den Boden unter den Füssen weg», sagt sie. In dieser Situation müsse so vieles entschieden werden – zum Beispiel über Therapien –, da brauche es beide Elternteile.
Dazu kommt: «Wenn man sagt, der Vater muss wieder zur Arbeit, lastet alles auf der Mutter», so Kämpf. Dabei seien doch beide verantwortlich für das Kind.
Auch Mirjam Gasser, Leiterin der Fachstelle für Gleichstellung der Stadt Zürich, sagt: «Aus Gleichstellungssicht ist es bedauerlich, dass die Betreuung von Neugeborenen direkt und zwingend den Müttern zugewiesen wird. Das zeugt von einem überkommenen Rollenverständnis.»
Wäre ein anderes Kind erkrankt, dürfte der Vater zu Hause bleiben
Laut Bundesgericht dürfte der Vater parallel zum Mutterschaftsurlaub seiner Partnerin Betreuungsurlaub beziehen, wenn nicht das Neugeborene schwer erkrankt wäre, sondern ein älteres Geschwister.
Das Bundesgericht argumentiert dabei mit den unterschiedlichen Zwecken des Urlaubs: Die Mutter erhalte die Mutterschaftsentschädigung, damit sie sich von der Schwangerschaft und Geburt erholen und sich um das Neugeborene kümmern könne. Und der Vater erhalte den Erwerbsausfall, den dieser aufgrund der Betreuung des älteren, kranken Geschwisters erleide.
Wenn hingegen ein Neugeborenes schwer erkrankt, geht der Mutterschaftsurlaub vor. Gasser gibt zu bedenken: «Wenn wir von schwer kranken Neugeborenen sprechen, stellt sich die Frage, ob die Mutter sich tatsächlich erholen kann – was ja auch Sinn und Zweck des Mutterschaftsurlaubs wäre.»