In China hat das kommunistische Regime entschieden, das Rentenalter für Männer und Frauen deutlich zu erhöhen. Bei Frauen steigt es von 50 auf 55 respektive von 55 auf 58 Jahre für Büromitarbeiterinnen, bei Männern von 60 auf 63.
Dieser Entscheid kommt nicht überraschend: Seit Jahren geht die Schere in der Demografie in China immer mehr auseinander. Die Leute werden immer älter, die Geburtenrate sinkt. Darunter leidet die Wirtschaft: Immer weniger Menschen arbeiten. SRF-Korrespondent Samuel Emch in Schanghai schätzt den Entscheid ein und sagt, wie er die Überalterung der Gesellschaft im Alltag erlebt.
Warum kommt die Erhöhung des Rentenalters gerade jetzt?
Wieso genau jetzt, genau heute, wissen wir nicht. Klar ist, dass der demografische Druck weiter zunimmt: Mit der sinkenden Geburtenrate, der schrumpfenden, arbeitenden Bevölkerung und auch dem steigenden finanziellen Druck aufseiten des Staates durch die Pensionsgelder, die er auszahlen muss. So gab es seit März immer konkretere Hinweise, dass diese Rentenaltererhöhung nun effektiv kommen wird. Die Ankündigung kommt kurz vor einem Feiertag. Vielleicht hoffen die Behörden, dass man sich in China eher auf die Freitage fokussiert und nicht so auf diese Ankündigung.
Wie fallen die Reaktionen aus?
Die Reaktionen von Leuten auf der Strasse in Shanghai bei einer kurzen Umfrage waren mehrheitlich negativ. Das Thema generiert auch auf den chinesischen sozialen Medien viele Reaktionen. Hier griff allerdings die Zensur schnell ein. Auf einem Account des Propagandamediums «People's Daily» gab es 25’000 Kommentare zum entsprechenden Rentenalter-Post. Lediglich etwa 20 wurden aber zunächst publiziert.
Dass eine Erhöhung des Rentenalters nicht beliebt ist, das war klar. Deshalb wurde der Entscheid auch so lange hinausgezögert. Eine Umfrage der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua 2018 zeigte, dass 92 Prozent der Befragten damals gegen eine Rentenaltererhöhung sind. Aber aufgrund der älter werdenden Bevölkerung und der sinkenden Geburtenrate war auch klar, dass der Staat irgendwann reagieren wird.
Was merken Sie in Schanghai von den sinkenden Geburtenraten?
Es schliessen fortlaufend Kindergärten, in Primarschulen gibt es weniger Klassen oder im Laden gleich neben unserer Überbauung hat es seit rund einem Jahr Windeln im Sortiment. Allerdings nur solche für Erwachsene – nicht für Kinder.
Sind Prämien fürs Kinderkriegen ein Thema, um Gegensteuer zu geben?
In gewissen Provinzen gibt es finanzielle Anreize. Auch für junge Paare, die heiraten und dann hoffentlich Kinder kriegen. Doch solche Massnahmen haben bis jetzt nicht gewirkt. Eine Ausnahme wird das laufende Jahr dann dennoch werden: Die Zahlen von Geburten werden hochschiessen, weil das Jahr des Drachens – das beliebteste Sternzeichen in China – bei den Geburten immer für einen Ausschlag nach oben sorgt. Die Tendenz geht im Allgemeinen aber abwärts.
Fehlende Fachkräfte mit Zuwanderung zu ersetzen ist keine Option?
Das wäre dann der zweite Joker, um dem Problem der schrumpfenden arbeitenden Bevölkerung entgegenzuwirken. Aber bisher ist das kein Thema.