Der Grund für den Stopp der Gaslieferungen: Die Ukraine hat sich zu dem Transitstopp entschlossen, um Russland von weiteren Einkünften abzuschneiden, mit denen der Kreml auch seinen Angriffskrieg gegen das Nachbarland finanziert. Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko bezeichnet den Transitstopp als «historisches Ereignis». «Russland verliert Märkte, es wird unter den finanziellen Verlusten leiden», teilt der Minister mit.
Russland machtlos: Der russische Gaskonzern Gazprom erklärte, dass er nach der Nichtverlängerung des Transitvertrags durch die Führung in Kiew weder juristische noch technische Möglichkeiten habe, das Gas durch die Ukraine zu pumpen. Deshalb sei die Befüllung am Neujahrstag eingestellt worden.
EU bereit: Eine Sprecherin der Kommission in Brüssel hatte im Vorfeld klargemacht, die EU sei auf den Stopp des Transits russischen Gases durch das kriegsgeplagte Land vorbereitet. Die europäische Gasinfrastruktur sei flexibel genug, um Gas nicht-russischen Ursprungs über alternative Routen nach Mittel- und Osteuropa zu liefern. So hat etwa das autoritäre und wegen Menschenrechtsverletzungen international kritisierte Aserbaidschan am Kaspischen Meer seine Energielieferungen hochgefahren.
Die Einschätzung des Experten: «Für die EU als ganzes ist der ukrainische Gastransit in den letzten Jahren immer weniger wichtig geworden. Zum Schluss waren es weniger als fünf Prozent. Insofern wird es relativ leicht zu ersetzen sein», sagt Georg Zachmann gegenüber SRF. Er ist Senior Fellow beim Wirtschaftsthinktank Bruegel, wo er im Bereich Energie- und Klimapolitik arbeitet. Die neuste Entwicklung führe nun dazu, dass gewisse Länder wie Ungarn, die Slowakei oder Österreich ihr Erdgas stärker aus anderen Quellen beziehen müssten. «Das heisst, dass das Gas längere Wege zurücklegen muss und entsprechend teurer sein wird.» Die Schweiz bezieht ihr Gas primär aus der EU.
Russisches Gas erreicht weiter die EU: Auch nach dem Lieferstopp erreicht russisches Gas weiter die EU über andere Wege, darunter über die im Schwarzen Meer verlegten Gasleitungen TurkStream und Blue Stream. TurkStream etwa versorgt nicht nur die Türkei, sondern auch den Süden und Südosten Europas. Moskau verdient so weiter Milliarden mit seinen Gasexporten in einzelne EU-Staaten, darunter Ungarn. Russische Energieexperten hatten zuletzt erklärt, dass Gazprom seine Lieferungen über die Leitungen pro Jahr um vier bis sechs Milliarden Kubikmeter hochfahren könne.
Druckmittel für Russland weggefallen: Experte Zachmann weist auf einen weiteren Punkt hin: «Für Russland noch wichtiger war, dass dieser Gasexport in den Westen ein Mittel politischer Einflussnahme darstellte. Man hat so versucht, einzelnen Ländern besondere Konditionen dafür zu geben, dass sich diese dann politisch wohlwollend verhalten haben. Diese Möglichkeit ist jetzt weggefallen, und das ist auch für Europa eine gute Nachricht.»
Doch auch die Ukraine profitierte: Der Transit sorgte auch für einige hundert Millionen Dollar Einnahmen für die von Russland angegriffene Ukraine. Diese fallen nun weg. Dazu kommt: «Damit hatte die Ukraine ein Mittel, Druck auf Russland auszuüben. Dieser Hebel ist jetzt verschwunden», sagt Zachmann.